Bergbau versus Recycling oder sinnvolle Ergänzung?
Unter dem Motto „Die Zukunft beginnt mit dem Rohstoff – Herausforderungen für die internationale Rohstoffwirtschaft und -forschung“ trafen sich etwa 100 Fachleute aus Wirtschaft, Forschung und Politik am 25. Mai 2016 in Dresden zum 10. Sächsischen Rohstofftag, um über langfristige, strategische Konzepte von Staaten und Unternehmen zur Rohstoffsicherung unter besonderer Berücksichtigung des Bergbaus zu diskutieren. Dabei standen sowohl rohstoff- und lagerstättenspezifische Probleme als auch neue Anforderungen an das Aufkommen und die Qualität von Rohstoffen, die Schließung von Stoffkreisläufen, die globale Angleichung und Einhaltung von Umwelt- und Sicherheitsstandards sowie die Gewährleistung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Rohstoffgewinnung und -forschung im Fokus der Beiträge und Diskussionen.
Offensichtlich stehen Bergbau- und Gewinnungsunternehmen und entsprechend auch die Forschung vor großen Problemen, die Dr.-Ing. habil. Manfred Goedecke, Vorsitzender des Geokompetenzzentrums GKZ e. V., Freiberg bereits in seiner Begrüßungsrede ansprach. Der frühere Leitsatz „Alles kommt vom Bergwerk her“ gerät immer mehr in den Hintergrund und das sei eine falsche und gefährliche Entwicklung. Es muss eine sichere und bezahlbare Rohstoffversorgung gewährleistet werden. Dazu müssen Staat und Unternehmen eine langfristige Rohstoffpolitik unter Einbeziehung sowohl primärer als auch sekundärer Rohstoffe betreiben. Dr. Goedicke unterstrich ebenso die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Grundlagen- und Industrieforschung sowie der entsprechenden Aus- und Weiterbildung. Die sogenannte Rohstoffwende sei ein hohler Begriff, denn der Verzicht auf den Bergbau sei weder möglich noch sinnvoll. Was Deutschland dagegen brauche, sei eine Rohstoffoffensive. Abschließend betonte er nochmals die Verantwortlichkeit des Staates für die Rohstoffsicherung, aber auch für seinen Bildungsauftrag auf diesem Gebiet. Nur so kann eine glaubwürdige Rohstoffpolitik betrieben werden, die auch zur Rohstoffakzeptanz und zu einem positiven Rohstoffbewusstsein in der Bevölkerung führen wird. Schon unsere Altvorderen wussten: Bergbau ist nicht eines Mannes Werk!
Sachsens Staatsminister Martin Dulig, (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr) und Schirmherr der Veranstaltung, beklagte ebenfalls, dass der Bergbau als Anfangsglied der Wertschöpfungskette von den Menschen überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird. Dies sei zu ändern, denn ohne Bergbau sei keine Rohstoffsicherung möglich. Wohl müsse man die Chancen für Recycling erkennen und nutzen, aber den Blick auch auf Primärrohstoffe aus eigener Produktion richten. Dazu müsse die Sächsische Rohstoffinitiative ROHSA 3 fortgesetzt werden, die die systematische Erfassung, Sicherung und Bewertung aller relevanten rohstoffgeologischen Daten für Spate und Erze im Freistaat Sachsen verfolgt, um Bergbau-Investoren zu unterstützen, alte Reviere neu zu erschließen.
„Der Montanstandort Freiberg mit 800 Jahren Wissenskompetenz im Bergbau, der Ressourcenuniversität TU Bergakademie Freiberg, dem Oberbergamt und dem Helmholtzinstitut für Ressourcentechnologie weist Sachsen als führendes Bundesland für Rohstoffwirtschaft in Deutschland aus“, so der Staatsminister.
Dass in Österreich die Verhältnisse bezüglich Rohstoffsicherung analog denen in Deutschland sind, offenbarte Prof. Dr. Peter Moser, Vizerektor der Montanuniversität Leoben (A) in seinem Beitrag „Schwerpunkte und Perspektiven der internationalen Forschung zur Gewinnung primärer Rohstoffe“. Wie sehr Primärrohstoffe auch heute noch gebraucht werden, zeigte er u.a. an Aluminium (Gesamtproduktion 55,5 Mio. t, aus Primärroh- 46,3 Mio. t, aus Sekundärrohstoffen 9,2 Mio. t) und wies auf die Langlebigkeit von Al-Produkten hin. Als Risiken für die Rohstoffversorgung in Europa nannte er Restriktionen durch die Gesellschaft bei der Rohstoffförderung, Mangel an qualifizierten Ingenieuren, an fachlicher Kompetenz und eines positiven Investitionsklimas für den Bergbau. Hinzu kommen eine restriktive Gesetzgebung, das Fehlen einer EU-Rohstoffpolitik und die Konzentrierung der Rohstoffproduktion auf einige wenige Länder, aber auch die politischen Instabilitäten in den Lieferländern außerhalb Europas. Für die nächsten Jahrzehnte seien genügend Lagerstätten auf dem europäischen Kontinent verfügbar, erforderlich sind aber Entwicklungsarbeiten für Erkundung, Gewinnung und Aufbereitung. Ebenso sei eine wichtige Aufgabe, die abgebauten Materialien umfassend zu nutzen (Beispiel: Nutzung der Berge der Steierschen Kalksteinproduktion in der Zementindustrie). Schließlich gälte es, neue Erkundungsmethoden einzusetzen und dafür Forschung zu betreiben (In situ mining: Gesteinslaugung, Fracking, Biolaugung). Das Gleiche gilt für die Automatisierung des Bergbaus in größeren Tiefen („Bergbau 4.0“), Gewinnung von Konzentraten, Reduzierung der Energie und die Nutzung von Ressourcen, die heute noch gar nicht vorhanden sind (Umsetzung von Serpentin mit CO2 zur Herstellung von MgCO3, Fe-Oxiden und Silikaten). Dafür muss die Ingenieurausbildung durch Änderung des Profils verbessert werden. Auch sein Plädoyer: Wir schaffen Werte, wir zerstören nicht!
Als Basis der Kreislaufwirtschaft bezeichnete Prof. Dr. Dr. h.c. Markus Reuter, Direktor Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie, die Metallurgie in seinem Referat „Aufbereitung und Recycling – Schlüsselfaktoren der Gewinnung primärer und sekundärer Rohstoffe – Herausforderungen und Entwicklungen. Es wird immer notwendiger, besser zu messen, zu modellieren, zu simulieren, vorherzusagen, um zu erkennen, ob ein Prozess ökonomisch durchführbar ist. Dazu ist auch die Digitalisierung erforderlich. An etlichen Beispielen funktionierender, neuer Aufbereitungsanlagen (z. B. Zn-Rückstände in Xingjiang, China) zeigte er, wie unter Beachtung der genannten Faktoren und der Thermodynamik eine erfolgreiche Anlagenkonfiguration und Prozessführung erreicht werden kann. Diese Modernisierung muss auch Eingang in Lehre und Forschung finden, und die Ausbildung muss mit solchen modernen Methoden wie (CE = Circular Economy, MIoT = Mertallurgical Internet of Things, CEE = Circular Engineering Economy) erfolgen.
In die Welt außerhalb unseres Lebensbereiches führte der Vortrag von Dr. Matthias Meier, ETH Zürich das Auditorium mit seinen Ausführungen „Extraterrestischer Bergbau – reale Aufgabe oder Science Fiction?“. Zur Diskussion stand die Gewinnung von Rohstoffen aus Asteroiden. Trotz aller Hindernisse und Unwägbarkeiten, die heute noch bestehen (technische Voraussetzungen, Kosten, rechtliche Unsicherheiten) wird eine reelle Chance gesehen, eines Tages die gigantischen Mengen an vorhandenen Rohstoffen unter Nutzung der Verfügbarkeit der Sonnenenergie vor Ort zu nutzen. Einige Staaten haben sich dieser Aufgabe schon mit großer Ernsthaftigkeit gestellt, es sollte nicht dazu kommen, dass Europa hier hinterher hinkt. Insofern sollte die Zeit genutzt werden, um das Gleichgewicht zwischen Science Fiction und Realität zugunsten der Letzteren zu verschieben.
„Herausforderungen an K+S an den internationalen Rohstoffmärkten“ präsentierte Martin Ebeling, Werkleiter der K+S Kali GmbH, Standort Neuhof-Ellers. Er stellte den Betrieb mit den drei Bereichen Düngemittel, Auftausalze und Lebensmittel bzw. den zwei Grundbereichen Kali und Salz inklusive Produktionszahlen, Produktpalette und Umweltschutzmaßnahmen vor. Neben den Aktivitäten im Inland ist die Legacy-Mine in Kanada eines der wichtigsten Projekte in der Geschichte von K+S. Der Referent mahnte wie seine Vorredner den politischen und gesellschaftlichen Konsens als Voraussetzung für den Bergbau an, denn dieser hat immer einen Einfluss auf die Umwelt. „Zunehmender Wettbewerb auf den Rohstoffmärkten – Implikationen für das Industrieland Deutschland“ (Eva Stollberger, BDI e. V. Berlin) und „Rohstoffgovernance in der technischen Zusammenarbeit: Institutionen, Transparenz, Nachhaltigkeit“ (Dr. Leopold von Carlowitz, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH waren weitere Vortragsthemen, die sich mit Rohstoffhandel, Rohstoffsicherung, internationaler Zusammenarbeit und nachhaltiger Entwicklung auf dem Rohstoffsektor – nicht nur in den Entwicklungsländern – beschäftigten.
Im Anschluss an die Vortragsreihe stellten sich 6 Experten (Bild 2) in einer Podiumsdiskussion den Fragen des Wirtschaftsjournalisten Thilo Boss unter dem Motto: Ist Deutschland für den internationalen Wettbewerb um Rohstoffe gut vorbereitet?
Er begann auch gleich mit der Gretchenfrage: Warum besteht solch ein Akzeptanzproblem bei der Rohstoffgewinnung, woher rührt der schlechte Stand der Rohstoffwirtschaft. Man war sich ziemlich einig. Bisher galt vornehmlich in der Wirtschaft, dass Rohstoffe gekauft werden, es wurde schlechte Lobbyarbeit für die Rohstoffgewinnung (Bergbau) geleistet, die Aktivitäten für den Bergbau wurde nicht in die Öffentlichkeit getragen und – wie es Dr. Mann treffend formulierte – das schöne deutsche Wort Bodenschatz wurde ignoriert. Daraus leitet sich ab, dass das Informationsdefizitin der Bevölkerung beseitigt und die Wertschöpfungskette Bergbau – Aufbereitung – Hochleistungsprodukt aufgezeigt werden muss.
Der Moderator erinnerte daran, dass Wirtschaftsminister Clement der letzte Minister war, der öffentlich für den Bergbau eintrat. Die Ansichten zum einheimischen Bergbau differierten allerdings stark. So vertrat Prof. Wellmer die Meinung, dass Deutschland den Bergbau überhaupt nicht braucht und belegte das so: „Die Preise für Rohstoffe sind enorm gestiegen, für Neodym z. B. um den Faktor 102 – und was ist passiert? Nichts! Das heißt, die deutschen Ingenieure lassen sich etwas einfallen!“ Dr. Hoth erinnerte dagegen daran, dass Bergbau nicht nur Erzbergbau bedeutet und Baurohstoffe in die Betrachtungen einzubeziehen sind. Er betonte dabei, dass es Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette gibt und nicht nur im Bergbau.
Weitere Themen waren die hohen in Deutschland geltenden Standards und die zunehmende Bürokratie, die die Unternehmen stark belasten. Das gilt auch für die hohen Energiekosten, die sich aber in den High-Tec-Produkten kaum wiederspiegeln. Ist also Deutschland bezüglich Rohstoffversorgung auf den internationalen Wettbewerb gut vorbereitet? Obwohl gerade China immer mehr Gruben in anderen Ländern aufkauft (Brasilien, Kenia u. a.), hat Deutschland aufgrund seines guten Namens große Chancen für internationale Projekte und Kooperationen, die auch praktiziert werden. Und da war man sich wieder einig: Deutschland hat die Verpflichtung, dass es von Bergbau etwas versteht. Dass das so bleibt, verlangt aber die öffentliche Akzeptanz und politische Unterstützung für Erkundung, Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen. „Sonst zieht die Welt an uns vorbei“, wie es Prof. Reuter treffend formulierte.