Rohstoff- und Wertstoffwende –
die Herausforderungen des
21. Jahrhunderts
Steigender Rohstoffbedarf, Verfügbarkeit von Primärrohstoffen (ärmere Erze in tieferen Teufen, Exportbeschränkungen) effiziente Kreislaufwirtschaft, Industrie 4.0 und Digitalisierung – das sind einige Schlagworte, die sich heute in fast jedem Fachvortrag oder politischen Statement zur Recycling- und Rohstoffwirtschaft wiederfinden, denn sie sind Ausdruck für die Problematik, mit der sich Wissenschaft/Forschung, Wirtschaft, und Politik zunehmend beschäftigen müssen. So auch auf der 11. Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz (BR & RK) am 20. und 21. März 2018 in Berlin, auf der sich wie in den Vorjahren erneut knapp 300 Teilnehmer aus Industrie, Universitäten, wissenschaftlichen Einrichtungen und Behörden trafen, um die neusten Entwicklungen auf dem Recycling- und Rohstoffsektor in den Bereichen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zu erfahren und darüber zu diskutieren.
Nach einer strukturellen Veränderung im vergangenen Jahr hatte der Veranstalter, die Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH, Neuruppin wieder auf die langjährig erprobte Struktur – fachübergreifende Plenarsitzung am ersten, fachspezifische Sektionssitzungen in 4 Parallelveranstaltungen am zweiten Konferenztag zurückgegriffen. Die wissenschaftliche Leitung lag in den bewährten Händen von Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldmann, TU Clausthal, für die Programmkoordination zeichnete wiederum Dr.-Ing. Stephanie Thiel vom vorgenannten Verlag. Neben den bisherigen Thematiken der Fachsitzungen wurde in diesem Jahr der Förderung des Umweltbewusstseins und der Wiederverwendung eine eigene Vortragsreihe gewidmet.
1 Plenarsitzung – Rohstoffpolitik, -strategie
Eröffnet wurde die Konferenz durch M.Sc. Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Geschäftsführerin des Veranstalters, die die strategische und organisatorische Neuorientierung des Thomé-Kozmiensky-Verlages erläuterte. Dazu gehört, dass in diesem Jahr zusätzlich die erste Berliner Klärschlammkonferenz ausgerichtet wird. „Auch als Verlags GmbH wird das Team das Vermächtnis von Prof. Karl Thomé-Kozmiensky fortführen“, schloss sie ihre Ausführungen.
Das Spektrum der Plenarvorträge war vielschichtig und umspannte die genannte Thematik, ohne dass umwälzende Neuorientierungen oder neue gesetzliche Regelungen vorgestellt wurden, aber doch den Leitgedanken der Rohstoff- und Recyclingwirtschaft wie Rohstoffeffizienz, globale Märkte, Kreislaufwirtschaft den erforderlichen Stellenwert einräumten.
In seinem Eröffnungsvortrag „Rohstoffwende – Wertstoffwende“ vermittelte Prof. Goldmann sehr eindringlich die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit für die Bewusstseinsbildung, denn der Begriff Rohstoffwende sei noch immer nicht in der Bevölkerung angekommen. Dabei sei eine drastische Änderung des Verbrauchs und der Verwendung von Rohstoffen national und global dringend erforderlich und eine nachhaltige Industriegesellschaft mit einer „advanced cirular economy“ müsse das Ziel sein. Er verwies auf die folgenden Vorträge, die auf diese Thematik ausgerichtet seien und zeigten, dass die Kreislaufsysteme immer komplexer werden und Initiativen und Netzwerke im Rohstoff- und Recyclingbereich erfordern. Der Aufbau einer globalen Struktur zur Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung mit Partnern aus allen fünf Kontinenten sei anzustreben. Ein guter Beginn sei die European Innovation Partnership (EIP) Raw Materials, aber auch das KIC (Knowledge and Innovation Community) EIT Raw Materials mit 100 Partnern aus 24 EU-Staaten oder das neue deutsche virtuelle Rohstoffforschungsinstitut GERRI. Abschließend umriss Prof. Goldmann das weitere Tagungsprogramm.
Einen Einblick in den Stand der Arbeiten auf der politischen europäischen Ebene vermittelte Gunther Wolf, Europäische Kommission Brüssel, in seinem Beitrag „Kreislaufwirtschaft (Circular Eonomy) – Schwerpunkte der EU-Kommission und Entwicklungen“. Es wurde das Kreislaufwirtschaftspaket einschließlich des Abfallpaketes der EU vorgestellt. Der Referent beklagte die bekannte Tatsache, dass sehr gute Strategien und Regeln erarbeitet wurden, die einzelnen Länder hinsichtlich Umsetzung aber nach wie vor ein sehr unterschiedliches Niveau aufweisen und das Prinzip der Abfallhierarchie noch nicht richtig gelebt wird. Auch hier sind der politische Wille und die Beteiligung der Gesellschaft gefragt. Immerhin sollen alle EU-Staaten bis 2020 eine Recyclingrate von 50 % erreichen, wobei zu hoffen ist, dass dafür eine klare Definition existiert.
Von den Schwierigkeiten, aber auch den Erfolgen, Kunststoff-Recyclingmaterialien aus eigenen Altgeräten einzusetzen, berichtete Dipl.-Geol. Klaus Hieronymi, Circular Economy Research GmbH, Oberursel, der als Strategieberater für HP Inc., Palo Alto/USA tätig ist, am Beispiel von HP-Druckern. Er zeichnete den mühsamen, aber lohnenswerten Weg auf, einen Drucker mit recycelten Kunststoffen zu vermarkten. Seine Marktuntersuchung zeigte, dass der Anfangserfolg auf umweltbewussten Kunden (rd. 10 %) beruht, der „Normalkunde“ ist skeptisch und setzt „recycelt“ mit minderer Qualität gleich, und die Überzeugung der Kunden bedeutet für den Einzelhandel zusätzlichen Aufwand. Propaganda und Marketingstrategien sind unerlässlich, um zum Erfolg zu gelangen. Selbst eine andere Namensgebung kann hilfreich sein, z.B. anstelle von Recyclingmaterial von „Close Loop“, d.h. PCR-Materialien aus eigenen Gebrauchtgeräten (PCR = post consumer recycling) zu verwenden. Es gehören aber auch Rücknahme- und Sammelstrategien sowie die Integration solcher Bereiche wie Händlermanagement, Verkaufsketten oder PR durch die Umweltabteilung hinzu. Auf diese Weise gelang es im August 2017, erste Geräte mit 10 % recyceltem Kunststoff auszuliefern; der Anteil soll in einer zweiten Phase auf 20 % erhöht werden.
Über einen ähnlichen Erfolg konnte Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Marcus Reuter, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie berichten: Simuliertes Design for Recycling am Beispiel Fairphone. Der Hersteller gibt alle Produkte bzw. Materialien an, die verwendet werden, so dass sich entsprechende Recyclingwege ableiten lassen. Die Recyclingeffizienz ist einerseits abhängig von der Komplexität des EoL-Produktes, andererseits aber auch von seiner Modularität, die gegenläufigen Einfluss haben. Die Komplexität zwingt dazu, nicht maximal, sondern optimal zu recyceln. Von den Produzenten fordert Prof. Reuter, dass sie Daten zur Verfügung stellen, denn um Simulationen durchführen zu können, seien diese unentbehrlich.
Einen Blick in die Recyclingwirtschaft Österreichs gestattete der Beitrag von Dr. Ina Meyer, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, Wien. Sie stellte eine Studie vor, die die Recyclingwirtschaft von 2014 durch eine Modellanalyse unter Berücksichtigung physischer Größen (Stoffströme) und monetärer Werte (Preise) sowie ihre gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte quantifiziert hat. Die Effekte sind deutlich, daneben werden positive ökologische Effekte generiert. Eine besonders positive Rolle spielen die Metalle, aber man sieht sich erst am Anfang einer dynamischen Entwicklung, die weitere Stoffgruppen (Elektro- und Elektronikschrott, Kunststoffe) erfassen wird.
Regierungsdirektor Dr. rer. nat. Helmut Löwe, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Bonn stellte die neue Förderinitiative seines Ministeriums vor, beklagte aber eingangs, dass zwar eine neue Regierung bestehe, aber noch kein neuer Haushalt, so dass noch keine Anträge auf Forschungsmittel bewilligt werden können. Das Konzept des BMBF sieht eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft vor mit den Prämissen, Rohstoffe und Produkte länger im Wirtschaftskreislauf zu halten, weniger Rohstoffentnahmen, dafür eine höhere Wertschöpfung, Vermeidung von Abfällen und Emissionen, längere Produktnutzung (Reparatur), neue Geschäftsmodelle. Für die dazugehörigen Schwerpunktthemen – Design kreislauffähiger und ressourcenschonender Produkte, digitale Technologien für die kreislauf- und ressourcenoptimierte Wirtschaft, innovative Produktkreisläufe und Geschäftsmodelle sowie optimierte Material- und Stoffkreisläufe – besteht erhöhter Forschungsbedarf. Für die Umsetzung des Forschungskonzeptes sind im Zeitraum von 2018 bis 2023 150 Mio. € vorgesehen. Dazu erfolgen mehrere BMBF-Förderbekanntmachungen.
Eine weitere Studie und ihre Ergebnisse wurde von Prof. Dr. Liselotte Schebek, TU Darmstadt unter dem Thema „Ressourceneffizienz durch Industrie 4.0 – Potenziale für KMU des verarbeitenden Gewerbes“ vorgestellt. Mit der Studie, an der sich neben der TU Darmstadt sieben Projektpartner u. a. drei Fraunhofer Institute beteiligten, wurde erstmals eine systematische Untersuchung der Auswirkung der digitalen Transformation auf die Ressourceneffizienz in der Industrie durchgeführt. Es wurde ein systematisches methodisches Vorgehen zur Ermittlung der Ressourceneffizienz entwickelt, 10 Fallstudien in realen Betrieben durchgeführt, einzelne Maßnahmen der Industrie 4.0 identifiziert und deren Ressourceneffizienzpotenziale untersucht. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Eine umfassende und kritische Analyse der „Recyclingwirtschaft in Deutschland vor dem Hintergrund der nationalen und europäischen Entwicklungen“ bot Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Sekundärrohstoff und Entsorgung e.V., Bonn. Er wies der Sekundärrohstoffgewinnung in Deutschland den ihr gebührenden Stellenwert zu, ohne sich in Euphorie zu ergehen. Neben der Bedeutung der Qualität von Sekundärrohstoffen, der Stärkung des Mittelstandes in der Branche wie z.B. durch fairen Marktzugang für private Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft und die Verhinderung von Marktkonzentrationen ging der Referent auch auf das EU-Kreislaufwirtschaftspaket und die EU-Kunststoffstrategie ein. Ausführlich widmete er sich dem chinesischen Importverbot für Kunststoffe und seine verheerenden Auswirkungen auf Deutschland bzw. die EU, beleuchtete die Situation ausgewählter Abfallströme im Detail und verschaffte damit der Zuhörerschaft einen umfassenden Überblick.
Bei allem Recycling kommt den Primärrohstoffen nach wie vor eine dominante Rolle zu. Dr. rer. nat. Peter Buchholz, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Berlin informierte über die aktuellen Entwicklungen auf den internationalen Rohstoffmärkten. China ist und bleibt die Nummer 1 hinsichtlich Förderung und Verbrauch, kein anderes Schwellenland wird eine solche Steigerung wie China erreichen. Aber der Verbrauch in China nimmt ab, da Nachhaltigkeit und Innovationen Einzug gehalten haben. Dr. Buchholz ging auf die staatliche Förderung strategisch wichtiger Industrien ebenso wie auf die neuen Einfuhrbestimmungen für Abfälle und Schrotte ein. Europa, das beim globalen Rohstoffverbrauch an zweiter Stelle noch vor den USA steht, ist zunehmend Handelsrestriktionen ausgesetzt, die den freien Handel behindern. Es entstehen immer mehr Monopole bei den Produzenten
(B ildung von Oligopolen, Beispiel China: 90 % des Magnesiums und 80 % des Antimons werden in China produziert). Abschließend ging der Referent auf die Preisentwicklungen und ihre Beeinflussung durch solche Faktoren wie Dieselkrise, Elektromobilität und Energiewende ein und verwies auf ROSYS – das neue Rohstoffinformationssystem der DERA, das unter www.deutsche-rohstoffagentur.de abrufbar ist.
Die langfristige Rohstoffwende – ein Umweltprojekt Deutschlands (Deutschland 2049 – Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft) stand im Fokus des Beitrags von Dr.-Ing. Matthias Buchert, Öko-Institut e.V. Darmstadt. Für 75 abiotische Rohstoffe (Metalle, Baumaterialien, Industrieminerale) wurden die wesentlichen Bausteine für eine langfristige Rohstoffwende erarbeitet. U.a. am Beispiel von Kies wurden wesentliche Maßnahmen und Instrumente zur Verringerung des Primärrohstoffbedarfs vorgestellt. Durch ein regelmäßiges Monitoring alle vier Jahre sollen die rohstoffspezifischen Ziele und Maßnahmen überprüft und aktualisiert werden. Für 2025 und 2037 sind zwei große „Inventuren“ vorgesehen, um eventuell notwendige Anpassungen vornehmen zu können.
Ein weiteres Umweltprojekt stellte Dr.-Ing. Asja Mrotzek-Blöß, TU Clausthal vor: FORAM – Towards a World Forum on Raw Materials, das im Rahmen des Programms für Forschung und Innovation der Europäischen Union Horizont 2020 gefördert wird. Mit dem Projekt soll eine Plattform für internationale Experten und Stakeholder geschaffen werden, um die internationale Kooperation im Rohstoffbereich zu fördern und ein Weltforum für Rohstoffe zu etablieren.
2 Podiumsdiskussion
Der erste Konferenztag schloss traditionsgemäß mit einer Podiumsdiskussion, in diesem Jahr mit dem Thema „Rohstoffwende und Rohstoffe für die Elektromobilität“. Ein hochaktuelles Thema, dem sich die Rohstoff- und Recyclingexperten Dr. Matthias Buchert, Dr. Peter Buchholz, Dr. Christian Hagelüken und Eric Rehbock (siehe Plenarvorträge) stellten, die Moderation übernahm Prof. Goldmann. Zunächst wurden Rohstoffe, vor allem Baurohstoffe und Metalle unter globalen Gesichtspunkten diskutiert und dabei mehr oder weniger bereits bekannte Erkenntnisse dargestellt. Immer wieder kam der Hinweis, dass Deutschland aufpassen muss, innerhalb Europas nicht „abgehängt“ zu werden und Rohstoffsicherheit gewährleistet sein muss. Deutschland wurde – was nur bedingt stimmt – als rohstoffarmes Land dargestellt, und es wurde betont, dass jede Tonne Recyclingmaterial ein Gewinn für die Rohstoffsicherung ist. Dabei muss die Rohstoffgewinnung in Einklang mit Natur- und Umweltschutz gebracht werden.
Die Frage von Prof. Goldmann nach der Situation bei der Elektromobilität und den erforderlichen Aktivitäten im Hinblick auf Versorgungssituation und die Preise beantwortete Dr. Hagelüken sehr umfassend: Entlang der Wertschöpfungskette wird mehr Kooperation benötigt. Seit 2008/2010 beschäftigt man sich mit kritischen Rohstoffen, der Kreislaufwirtschaft, der Klimadebatte und der Elektromobilität, die eigentlich die gleiche Thematik betreffen. Die Initiativen sind zu bündeln, die Politik muss eingebunden werden, die Exploration und Gewinnung von Rohstoffen ist zu befördern und die Kreislaufwirtschaft ist ernst zu nehmen.
Auch im Bereich der Sekundärwirtschaft, die Prof. Goldberg als nächstes anschnitt, gibt es nach wie vor genügend Diskussionsbedarf. So z.B. die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Recyclingwirtschaft, die oft erschwerend wirken wie derzeit die Diskussion über das Recycling von Kobalt in Europa, die einer Hysterie gleichkommt oder – was schon vorauszusehen ist – von Titandioxid. In diesem Zusammenhang warnte Hauptgeschäftsführer (HGF) Rehbock von einer „Chemisierung des Abfallrechts, die die Kreislaufwirtschaft kaputt machen würde“. Im Bereich Kies/Sand beklagte er das Fehlen der Ersatzbaustoff-Verordnung, genauso wie – trotz Gütesicherung – das Negieren von Recyclingbaustoffen bei der öffentlichen Hand. Dazu erhob er erneut die Forderung nach der Gleichstellung von Primär- und Sekundärbaustoffen bei Ausschreibungen und der Vorbildwirkung der öffentlichen Hand.
Einen weiteren Schwerpunkt der Podiumsdiskussion stellten die Rohstoffe für die Elektromobilität und ihre Sicherung dar. Prof. Goldmann stellte heraus, dass neben den Primärrohstoffen (z.B. Ni und Co aus dem Kongo) mittelfristig das Recycling ein großes Potenzial darstellt. Beispielsweise fallen jährlich demnächst 25 000 bis 30 000 t Li-Ionenbatterien an, die als Rohstoffquelle dienen können. Entsprechende Recyclingverfahren seien bekannt, negativ zu bewerten wäre allerdings ihre Sammlung. HGF Rehbock ergänzte, dass nicht nur die Sammlung, sondern auch die Aufbereitung verbesserungswürdig sei und schlug folgenden Weg vor: lokale Sammlung und regionale Vorbehandlung in Spezialaufbereitungsanlagen.
Auch Dr. Buchholz betonte, dass für das Recycling von Li-Ionenbatterien klare Strategien benötigt werden, und das wiederum erfordert einen klaren Rechtsrahmen, der aber nicht vorhanden ist. Dabei sei klar: die Elektromobilität kommt. Und die Li-Verfügbarkeit sei durch die Batterierückführung gewährleistet. Man könne mit rd. 8 Jahren Vorlaufzeit rechnen, bis die Rückführung der Batterien stattfindet und diese Zeit müsse genutzt werden, um ausgereifte Technologien zu entwickeln. Dr. Hagelüken vertrat dagegen die Ansicht, dass die technische Entwicklung ausreichend ist, aber die Erfassung – wie schon gesagt – sehr schlecht. Außerdem müssen die Rahmenbedingungen u.a. definieren, was überhaupt unter Recycling zu verstehen ist. Und abschließend unterstrich HGF Rehbock nochmals, dass sich die Unternehmer auf die Rahmenbedingungen verlassen müssen, d.h. sie investieren nur, wenn die Stoffströme gesichert sind, also Zugriff, Vermarktung und klare gesetzliche Regelungen. Summa summarum: keine überwältigenden, neuen Erkenntnisse, aber Fakten, Überlegungen, Denkanstöße und Forderungen, die nicht oft genug genannt und diskutiert werden müssen, um die Rohstoff- und Recyclingwirtschaft voran zu bringen.
3. Fachspezifische Sitzungen
Mit rd. 40 fachspezifischen Vorträgen erwartete die Teilnehmer am zweiten Konferenztag ein interessantes Fachprogramm mit folgenden Themenschwerpunkten:
Strategien – Umweltbewusstsein – Wiederverwendung
r4-Forschungs- und Entwicklungsprojekte
Recycling von Elektro(nik)geräten
Elektromobilität
Brandschutz
Recycling von Kunststoffen und Verbunden
Recycling von Metallen
Im Rahmen des Berichtes ist es nicht möglich, auf alle Vorträge einzugehen. Nachfolgend sollen aber einige wenige, technisch orientierte Vorträge ausgewählter Themenschwerpunkte mit ihren Autoren stellvertretend kurz behandelt werden.
3.1 r4-Forschungs- und Entwicklungsprojekte
Die ganze Vielseitigkeit der Suche nach Recyclingmöglichkeiten spiegelte sich in den aktuellen Forschungsprojekten wider, die in dieser Sektion vorgestellt wurden. Sei es der Rückbau anthropogener Lagerstätten (Landfill mining) zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen (Dr. rer. nat. Torsten Zeller, TU Clausthal: Das Modellprojekt REWITA zur Rückgewinnung wirtschaftsstrategischer Rohstoffe), die Rückgewinnung von Lanthan aus Rückständen der Herstellung von Crack-Katalysatoren durch die Entwicklung und Produktion von selektiv wirkenden Polyelektrolyt-funktionalisierten Textilien (Dr. Klaus Opwis, Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West gGmbH, Krefeld) oder Rückgewinnung und Wiedereinsatz von Sb2O3 und TiO2 aus Kunststofffraktionen der Elektroaltgeräteverwertung (Dr. Martin Schlummer, Fraunhofer Institut IVV, Freising).
Nach wie vor von großem Interesse ist die Rückgewinnung von Metallen aus den Oxiden metallurgischer Schlacken bei der Produktion legierter Stähle, wie Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Deike, Universität Duisburg-Essen zeigte. Interessant auch das Forschungsprojekt Silber-Recycling von Gasdiffusionselektroden aus der Chlor-Alkali-Elektrolyse (Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Bernd Friedrich, RWTH Aachen – Rückgewinnung von Ag aus den sog. Sauerstoffverzehrkathoden, die neben 25 % Ni und 5 % PTFE 70 % des Edelmetalls enthalten). Die technische Umsetzung von Forschungsergebnissen ist oftmals die größte Hürde, wie beispielsweise der Beitrag von Dipl.-Ing. Sabrina Schwarz, TU Clausthal zur Entwicklung einer industriell umsetzbaren Recycling-Technologiekette für NdFeB-Magnete zeigte.
3.2 Recycling von Elektro(nik)geräten
In dieser Sektion waren drei Vorträge der Erfassung und Sammlung dieser Altgeräte gewidmet, die die Voraussetzung für ein wirtschaftliches Recycling darstellen und zahlreiche Optimierungsvarianten zulassen. So sprach Alexander Neubauer, Abfallwirtschaft und Stadtreinigung VKS im Verband kommunaler Unternehmen e.V., Berlin über die Praxis der kommunalen Erfassung und ging insbesondere auf die Bestimmungen im Vollzug des ElektroG 2015 anhand der sechs neuen Sammelgruppen im Bringsystem (Wertstoffhöfe) ab 01.12.2018 ein.
Die Sammlung von Elektrogeräten in Depotcontainern unter Berücksichtigung von Nutzen und Gefährdung betrachtete Dipl.-Chem. Hermann Nordsieck, bifa Umweltinstitut GmbH, Augsburg. Sein Fazit: im Bereich von Elektrokleingeräten können Depotcontainer einen deutlichen Beitrag dazu leisten, das theoretische Sammelpotenzial weitgehend auszuschöpfen. Erste Forschungsergebnisse des EU-Projektes FORCE (Laufzeit 09/2016 bis 08/2020), speziell zu neuen Konzepten zur Sammlung, Reparatur und zum Recycling von Elektroaltgeräten (EAG) in Hamburg stellte Reinhard Fiedler, Stadtreinigung Hamburg vor. Zusammen mit Clusterpartnern (u.a. HafenCity Universität, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Aurubis AG, Stilbruch GmbH) sollen in Hamburg eine App mit Informationen zu EAG-Reparaturbetrieben, Verkaufspreisen usw. entwickelt, Repair-Cafés und EAG-Sammelstellen aufgebaut, vorhandene Erfassungs- und Sammelsysteme optimiert und ein Pilotversuch für ein neues Sammelsystem initiiert werden. Während der Projektlaufzeit ist die Verwertung von zusätzlich 800 t Elektroaltgeräten vorgesehen, von denen 300 t zerlegt und daraus strategische Metalle wie Au, Ag, Pt, Pd und Cu gewonnen werden.
In seinem Beitrag „Ständiger Wandel bei der Elektroaltgeräte-Aufbereitung“ betrachtete Dipl.-Ing. Hannes Fröhlich, Elektrocycling GmbH, Goslar die letzten 15 Jahre seit Erlass der Europäischen WEEE-Richtlinie, die bis 2008 in nationales Recht umzusetzen war. In dieser Zeit sind zahlreiche Aktivitäten zu verzeichnen, sowohl bei der europäischen und deutschen Gesetzgebung als auch hinsichtlich technischer Neuerungen und Entwicklung der Hersteller von Elektro- und Elektronikprodukten sowie der Entsorgung/Verwertung. Die rasante Entwicklung der Gerätetechnik erfordert eine ständige Anpassung der Aufbereitungsverfahren und der Anlagentechnik, um die erhebliche Vielfältigkeit der Elektroaltgeräte zu verkraften und ein effektives und sicheres Recycling zu gewährleisten. Mit zunehmender Miniaturisierung von Bauteilen wird es immer schwieriger, saubere Wertstoffe zu gewinnen, Gleiches gilt für den Einsatz von Verbundwerkstoffen.
3.3 Elektromobilität
Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität mit dem Fokus Rohstoffe für die Li-Ionenbatterie erörterte Dipl.-Geogr. Stefanie Degreif, Öko-Institut e.V., Darmstadt. Auch im Referat von Dipl.-Geol. Michael Schmidt, DERA/BGR, Berlin stand die Verfügbarkeit des Batterie-Rohstoffs Li im Mittelpunkt. Die Marktsituation bei der Primärförderung ist durch ein Oligopol gekennzeichnet, und daran wird sich auch bis 2025 nichts Wesentliches ändern. Die dynamische Entwicklung der letzten Jahre wird sich fortsetzen, Li bleibt aufgrund seiner Eigenschaften eine Schlüsselkomponente für die Li-Ionen-Batterie. Insofern könnte sich die Nachfrage für Li bis 2025 verdoppeln oder sogar verdreifachen. Marktbeobachtungen sind angesagt und Ausweichstrategien gegen Lieferengpässe und Preissteigerungen wie langfristige Lieferverträge oder Projektbeteiligungen werden empfohlen.
Dem Recycling von Li-Ionenbatterien widmete Ing. DI mont. Astrid Arnberger, Saubermacher Dienstleistungs AG, Feldkirchen/Österreich ihren Beitrag. Es wurde ein Aufbereitungsverfahren zur Rückgewinnung der Wertmetalle Fe, Al, Cu, entwickelt. Die Referentin zeigte die bekannten Schwierigkeiten, angefangen bei Sammlung und Transport, über Demontage und Lagerung, verfügbare Mengen bis hin zur Wirtschaftlichkeit. Außerdem wurde die Hybrid-Anlage in Bremerhaven vorgestellt, die Anfang 2018 für einen Durchsatz von 10 000 t/a errichtet wurde und neben Li-Ionen- auch Alkali/Mn-Batterien verarbeitet, um überhaupt eine Rentabilität zu erreichen.
3.4 Recycling von Metallen
Obgleich im Bereich des Metallrecyclings schon etliche Verfahren mit guten Recyclingquoten und hohen Qualitäten entwickelt wurden, gibt es immer wieder innovative Entwicklungen, wie es die Vorträge in Berlin zeigten. Beispielsweise referierte M.Sc. Simon Hilgendorf, RWTH Aachen über „Pyrometallurgische Recyclingprozesse zur Aufarbeitung bleihaltiger Mischschrotte“. Welche Anstrengungen in der Industrie in Richtung nachhaltige Kreislaufwirtschaft unternommen werden, zeigten die Vorträge von zwei bedeutenden Konzernunternehmen der Metallerzeugung. So berichtete Tom Rosenhagen, Novelis Sheet Ingot GmbH, Seenland/OT Nachterstedt, dem derzeit größten Al-Recyclingwerk der Welt, über „Zukünftige Herausforderungen zum Schließen von Materialkreisläufen in einem vollintegrierten Al-Recyclingwerk“. Ein weiterer Beitrag kam aus dem Haus Aurubis, einem der weltweit führenden Unternehmen im Bereich Cu-Recycling. Dipl.-Ing. Andreas Nolte, Aurubis AG, Lünen berichtete über „Metals for Progress“, die nachhaltige Multi-Metallgewinnung des Unternehmens. Bereits heute werden aus primären und sekundären Rohstoffen 19 Metalle gewonnen. Es ist geplant, bis 2010/2021 rd. 320 Mio. € in eine Verfahrenserweiterung „Future Complex Metallurgy“ zu investieren und über zusätzlich Anlagen wie Badschmelze, Laugung und Elektrolyse etwa 270 000 t komplexe Primär- und Sekundärrohstoffe einzusetzen. Die „Betriebliche Konditionierung von Wertstoffen im Tantal-Recycling“ stellte Prof. Dr. Frank Schulenburg, H. C. Starck GmbH, Goslar vor. Um die besonderen Herausforderungen beim Recycling von Refraktärmetallen, zu denen auch Ta gehört, bewältigen zu können, wurde ein neues Vorkonditionierungskonzept für die Rohstoffaufbereitung erarbeitet. Durch eine optimale Apparateauswahl – ein Granulator – können Schlämme und Filterstäube staubfrei den nachfolgenden thermischen Prozessen zugeführt werden. Damit wird eine erhebliche Energieeinsparung erreicht.
4. Schlussbemerkungen
Nach wie vor ist die Berliner Rohstoff- und Recyclingkonferenz die größte ihrer Art in Deutschland. Das Interesse an der Veranstaltung ist ungebrochen, die Organisation ist hervorragend, die Rückbesinnung auf wieder nur vier Sektionen sicher von Vorteil. Der Veranstalter konnte erneut ausgezeichnete Referenten gewinnen und vor allem im fachspezifischen Teil am zweiten Konferenztag eine Fülle von interessanten Themen – sowohl Forschungsvorhaben als auch wissenschaftliche Untersuchungen und industrielle Anwendungen – dem Teilnehmer nahebringen. Wie im vergangenen Jahr zeigte sich, dass im Bereich Wissenschaft und Forschung seit der letzten Konferenz mit viel Engagement und Ideenreichtum daran geforscht wurde, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen und der Industrie 4.0 zum Durchbruch zu verhelfen. Die Industrie versucht verstärkt, Forschungsergebnisse umzusetzen und mit wissenschaftlichen Einrichtungen zu kooperieren, um eine nachhaltige Rohstoff- und Kreislaufwirtschaft zu praktizieren.
Den Teilnehmern aus der Industrie und dem Gewerbe bleibt die Hoffnung, dass ingenieur- und anwendungstechnische Themen wie vor wenigen Jahren wieder die Oberhand gewinnen und nicht auf Kosten von Politik, Strategie und groß angelegten Forschungsprojekten an den Rand gedrängt werden. Nach wie vor hinkt die Politik nach, Gesetzesentwürfe reichen nicht, ihr Erlass und ihre Umsetzung und Kontrolle sind erforderlich. Dazwischen klaffen nach wie vor oft nicht nachvollziehbare Zeiträume. Das gilt vor allem auch für die entsprechenden europäischen Gesetze und Richtlinien.
Die meisten Vorträge sind in „Recycling und Rohstoffe“ Bd. 11, ISBN 978 –3-944 310-40-4 Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH, Neuruppin 2018 enthalten oder über http://www.vivis.de/fachbuecher/recycling-und-rohstoffe/464-recycling-und-rohstoffe-band-11 abrufbar. Die nächste Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz findet am 11. und 12. März 2019 statt.