10 Jahre Abfall-, Kreislauf- und Ressourcenwirtschaft
M it einem ehrenvollen Gedenken an den kürzlich verstorbenen Initiator und Nestor der Veranstaltung, Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Karl J. Thomé-Kozmiensky eröffnete M. Sc. Elisabeth Thomé-Kozmiensky die 10. Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz (BR&RK). Vier Jahrzehnte hat Prof. Thomé-Kozmiensky die deutsche Abfallwirtschaft maßgeblich geprägt, viele Tagungen, Kongresse und Konferenzen organisiert und die wissenschaftliche Leitung übernommen. Elisabeth Thomé-Kozmiensky bedachte in ihrer Begrüßungsrede auch Prof. Dr.-Ing. habil. Eberhard Gock, TU Clausthal, langjähriges Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Konferenz und ebenfalls im Vorjahr verstorben, mit einer Würdigung seines Engagements.
Wie in den vergangenen Jahren waren für die Plenarveranstaltung am ersten Tag fachübergreifende aktuelle Themen vorgesehen, während in den Vorträgen der Parallelveranstaltungen des zweiten Konferenztages fachspezifische Inhalte dargeboten wurden.
1 Plenarsitzung
Die rd. 300 Besucher bestätigten die von Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldmann, TU Clausthal, dem die wissenschaftliche Leitung der Konferenz oblag, in seinem „Rückblick und Ausblick auf 10 Jahre BR&RK“ genannte, stabile Teilnehmerzahl der letzten Jahre. Wie seine Vorrednerin fand auch Prof. Goldmann bewegende Worte für die beiden vorgenannten Professoren und betonte die schmerzliche Lücke, die ihr Ableben allein für die Konferenz hinterlassen hat. Er hob vor allem die Verdienste von Prof. Thomé-Kozmiensky für die Entwicklung der Veranstaltung zu einer der bedeutendsten Recycling-Konferenzen mit internationaler Beteiligung in Deutschland hervor. Diese mit einer Ausweitung der Themenvielfalt verbundene Entwicklung führte im Jahr 2014 dazu, mineralische Nebenprodukte und Abfälle aus dem Programm herauszunehmen und die Thematik in einer eigenständigen jährlichen Konferenz zu behandeln. Die Ergebnisse der 10 Jahre BR&RK finden sich in den Büchern des TK Verlags Nietwerder wieder, die die allermeisten Vorträge enthalten und nunmehr eine umfangreiche Enzyklopädie des Recyclings und der Abfall-/Kreislaufwirtschaft bilden. Auch zukünftig wird die bewährte Struktur der Konferenz beibehalten werden, aktuelle Themen wie die Rohstoffwende 2049, die Dissipation einer Vielzahl von Wertstoffen, anthropogene Wertstofflager oder die Digitalisierung der Abfallwirtschaft – Recycling 4.0 werden sich in den Programmen der nächsten Jahre wiederfinden. Dabei ist Prof. Goldmann eine Intensivierung der internationalen Vernetzung äußerst wichtig. Um über den „deutschen Tellerrand“ hinauszuschauen und die Entwicklungen in der EU und die Umsetzung in nationales Recht nicht nur im eigenen Land zu verfolgen, ist die Beibehaltung bzw. Ausweitung der internationalen Beteiligung – in diesem Jahr durch Österreich, die Schweiz und die Niederlande – wesentliches Kennzeichen der Konferenz.
Die Vorträge der Plenarsitzung lassen sich nur schwer einem übergeordneten Leitgedanken zuordnen, außer dass Ressourceneffizienz, nationale und globale Rohstoffsicherung, Substitution und Nachhaltigkeit nach wie vor die beherrschenden Themen sind.
So berichtete Dr.-Ing. Alexander Gosten, BSR Berliner Stadtreinigung AöR, über Sekundärrohstoffpotenziale eines kommunalen Entsorgers. Das kommunale Unternehmen verfügt über 13 Recyclinganlagen in Berlin, davon 5 als Beteiligungsunternehmen. Bekannt für seine realistischen Einschätzungen zeigte der Referent die Unzulänglichkeiten bei der Definition von Recyclingquoten und den sich dadurch ergebenden Differenzen zwischen gesetzlichen Vorgaben und realen Werten auf, wies auf die großen Unterschiede hinsichtlich Recycling in Europa hin (über 100 Mio. t Abfälle werden heute noch in Europa deponiert!) und demonstrierte, dass nicht jedes Potenzial in kommunalen Abfälle ausschöpfbar ist. Trotzdem fehlt es nicht an Versuchen, aus kommunalen Abfällen eine hohe Wertschöpfung zu erreichen, beispielsweise durch das „Stilbruchkonzept“ in Hamburg, das Jörg Bernhardt, Stadtreinigung Hamburg, vorstellte und das erfolgreich Nachhaltigkeit durch Wiederverwendung in Form einer schonenden Sammlung sperriger Abfälle erzielt. Sicher ein kleiner Beitrag für die Ressourcenschonung, mit hohem Personalaufwand verbunden, aber für Großstädte dennoch eine Alternative.
Die Ausführungen von Min. Rätin Birgit Schwenk, BMUB, Bonn zur Ressourceneffizienz im Rahmen der G 20, an die ja schon auf der Berliner Konferenz 2016 große Erwartungen gestellt wurden, enthielten keine wesentlichen neuen Erkenntnisse ebenso wie der Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Vera Rotter, TU Berlin über „Chancen und Herausforderungen von Klimaschutztechnologien für das Recycling“, waren aber gute Übersichtsvorträge. Über aktuelle Forschungsförderung des BMBF zur Thematik Innovationen für Ressourceneffizienz und Wirtschaften in Kreisläufen informierte Reg. Dir. Dr. rer. nat. Helmut Löwe vom genannten Bundesministerium. In den verschiedensten Beiträgen wurde der Stellenwert der Vernetzung als Innovationstreiber für die Rohstoffsicherung und die entsprechende Forschung herausgestellt, ja sogar zum Inhalt der Vorträge gemacht, wie z. B. das EIT Raw Materials, das weltweit größte und bedeutendste internationale Konsortium im Bereich Rohstoffe, mit über 100 Geschäftspartnern aus Industrie, Forschung und Lehre aus insgesamt 22 EU-Mitgliedsstaaten, mit dem sich der Beitrag von Nora Groth, EIT Raw Materials GmbH, Metz (Frankreich) beschäftigte. Ein weiteres Beispiel in diesem Bereich: Das virtuelle Rohstoffforschungsinstitut GERRI, das Dipl. Wirtsch. Geograph. Helene E. Köpf, HIF Freiberg vorstellte. Es handelt sich um ein nationales Netzwerk zur Erforschung von metallischen und mineralischen Rohstoffen und ist ein Verbund von fünf Instituten. Ziel ist, die gesamte deutsche Forschung dieses Bereiches mit Schwerpunkt Ressourcentechnologie zu repräsentieren und Anlaufstelle für Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu allen Fragen entlang der Rohstoffkette – von Primärrohstoffen bis hin zum Recycling - zu sein. Bedauerlich, dass der Beitrag über den Entwurf des neuen Verpackungsgesetzes aus dem BMUB ausfallen musste, zumal von den Sachverständigen aus der Wirtschaft nach umfangreichen Diskussionen wieder nur „ein bisschen Novelle und kein echtes Wertstoffgesetz“ erwartet wird.
Mit dem Ziel, eine Roadmap für die Substitution kritischer Rohstoffe in Umwelttechnologien zu erarbeiten, beschäftigte sich der Beitrag von Dipl.-Geogr. Stefanie Degreif, Öko-Institut e. V., Darmstadt. „Substitution als Strategie zur Minderung der Kritikalität von Rohstoffen für Umwelttechnologien“. Bleibt zu hoffen, dass diese auch tatsächlich in der Praxis ihre breite Anwendung findet.
Die betriebliche Ebene stand im Fokus des Referates von M. Sc. Maximilian Seier, TU Darmstadt, der sich mit der Ressourceneffizienz in der produzierenden Industrie beschäftigte. Wie schon in Vorträgen früherer Konferenzen in Berlin stellte er die methodischen Grundlagen für die Bewertung und das Benchmarking vor. An einem Praxisbeispiel – die spanende Metallbearbeitung – zeigte er, dass eine Beurteilung der Relevanz betrieblicher Einwirkungen auf unterschiedliche natürliche Ressourcen und einfache, aber aussagekräftige Kenngrößen, mit denen sich die Ressourceneffizienz spezifischer Prozesse in der Praxis erfassen lässt, nötig sind.
Den Abschluss der Plenarveranstaltung bildete der Beitrag „Deutschland 2049 – auf dem Weg zu einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft” von Dr.-Ing. Matthias Buchert, Öko-Institut e. V., Darmstadt, ebenfalls eine Aktualisierung und Ausweitung vieler Gedanken und Vorschläge, die schon in den vergangenen Jahren in Berlin diskutiert wurden. Er berichtete über ein Forschungsprojekt, das in wenigen Wochen abgeschlossen sein wird. Bei der Untersuchung der unterschiedlichen Szenarien wurde davon ausgegangen, dass Deutschland nicht – wie bisher angenommen – schrumpft, sondern die Bevölkerungszahlen etwa konstant bleiben. Als Elemente der Rohstoffwende wurden 75 anorganische Rohstoffe (Erze, Industrieminerale, Baurohstoffe u. a.), davon 22 Massenrohstoffe mit >100 000 t/a und 53 Nicht-Massenrohstoffe mit wenigen tausend bis einigen Dutzend t/a betrachtet. Es wurde festgestellt, dass das bisherige Kritikalitätskonzept nicht ausreicht, man muss alle drei Nachhaltigkeitssäulen (ökonomische, ökologische und soziale Säule) berücksichtigen und Bedürfnisfelder nach Prioritäten einordnen. Es sind rohstoffspezifische Ziele erforderlich, da die ökonomischen, ökologischen und sozialen Effekte sehr unterschiedlich sind. Durch Monitoring sind die Annahmen und Ziele aller vier Jahre zu überprüfen und zu aktualisieren.
2 Podiumsdiskussion
Eine Podiumsdiskussion beendete auch in diesem Jahr den ersten Konferenztag. Sie stand unter dem wenig spezifischen Motto „Diskussion zu den aktuellen Rahmenbedingungen von Recycling und Abfallwirtschaft“. Moderiert von Prof. Goldmann stellten sich kompetente Referenten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dieser Thematik und versuchten ihre Gedanken dazu in einigen wenigen Kernaussagen zu bündeln. Aus der Sicht eines Unternehmers stellte Dr. Fendel, Remondis Assets & Service GmbH & Co. KG, Lünen den Weg zu mehr und besserem Recycling eindeutig mit höherem Kostenaufwand in Verbindung. Global gesehen kommt das Geld für Unternehmen der Abfallwirtschaft aus den Deponien (siehe USA). Deutschland aber praktiziert Recycling und unterliegt dem Import volatiler Rohstoffe. Mehr Recycling – wie es die Rohstoffwende erfordert – heißt kapitalintensive Investitionen vorzunehmen, deren Refinanzierung nur in großen Zeiträumen erfolgen kann.
Der Gesetzgeber, vertreten durch ORR Alexander Janzen, BMUB, Bonn, riet – nach der Steigerung der Ressourceneffizienz gefragt – Stoffströme zu bündeln und unter dem Aspekt der volatilen Industriemetalle abzuleiten, welche Metalle man wirklich noch braucht. Da der Rücklauf bestimmter Materialien nicht immer optimal ist, sollten Erfahrungen anderer Länder einfließen. Hierzu führte Prof. Pomberg, Montanuniversität Leoben/Österreich aus, dass man zwischen Massenabfällen und anderen Abfällen unterscheiden muss. In Österreich begann man bereits vor 1995 mit der getrennten Sammlung von Wertstoffen, danach folgte, dass die „wertstofffreien“ Abfälle nur noch verbrannt, nicht mehr deponiert werden dürfen. Man musste jedoch feststellen, dass die Recyclingquoten zurück gingen und heute das Niveau von vor 20 Jahren haben; zwar sind die Mengen gestiegen, die Qualität dagegen nicht. Dr. Gosten konnte seine Erfahrungen aus dem kommunalen Bereich darlegen, die den Elektro-/Elektronikschrottbereich betreffen. Hier gibt es nach wie vor Kritik am ElektroG bzw. dem WEEE, eine Novellierung sei erforderlich. ORR Janzen wies darauf hin, dass eine differenziertere Behandlungs-VO erarbeitet wird. Ein eindrucksvolles Beispiel für den Widerspruch zwischen Möglichkeiten und kostenbedingter Praxis des Recyclings gab Dr. Buchert, Öko-Institut e. V., Darmstadt: Gips zu recyceln ist ohne Frage sinnvoll. Aber die z.T. sehr niedrigen Deponiepreise geben dem Recycling keine Chance. Hinzu kommt, dass Gipskartonabfälle nunmehr in Tschechien in den dortigen Uran-Schlammteichen als Binder eingesetzt werden sollen – ebenfalls keine echte Verwertung. Hier sei unbedingt eine intensive Zusammenarbeit der Behörden erforderlich. Weitere Diskussionspunkte waren
Lenkungsmechanismen für Stoffströme (Deponiesteuer)
Abtrennen gefährlicher Abfälle (Li-Ionenbatterien und die Gefahr des Abbrennens von Abfallfahrzeugen)
Produktverantwortung
Digitalisierung in der Abfallwirtschaft
Abschließend stellte Prof. Goldmann die Frage nach den anzustrebenden Zielen in der Recycling- und Abfallwirtschaft. „Der Ruf nach Regulierung ist nicht immer zielführend, die Daseinsvorsorge beschränkt sich auf bestimmte Dinge und das sollte auch so bleiben (Dr. Fendel). Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, bestimmte Direktiven sind zu verfeinern, z. B. bei Industriemetallen, für einige Batterien sollten Pfandsysteme eingeführt werden (Dr. Buchert). Die Novelle der GewAbfVO als wichtigstes Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode und vom Bundestag verabschiedet, sollte möglichst schnell im Bundesrat beschlossen und ebenso die Novelle der VerpVO umgehend abgeschlossen werden. Längerfristig muss ein europäisches Kreislaufwirtschaftsgesetz erarbeitet werden (ORR Janzen). Das Circle Economy Package der EU, das sich zurzeit im Legislativprozess befindet, möge so kommen wie geplant (Prof. Pomberger). Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik im Abfallbereich, die finanzierbar ist; es sollten nicht immer neue Hürden vom Umweltbundesamt aufgestellt werden, da eine Erhöhung der Recyclingquoten so kaum möglich sein wird (MantelVO, Beseitigung von Dämmmaterialien), und bei Ausschreibungen ist die Anwendung von Recyclingmaterial zu fördern (Dr. Gosten).“ Insgesamt eine ganze Palette von Wünschen – wir werden sehen, wie bei der nächsten Berliner Konferenz der Erfüllungsgrad aussieht!
3 Fachspezifische Sitzungen
Ein umfangreiches Angebot an interessanten fachspezifischen Vortragsthemen erwartete die Teilnehmer am zweiten Konferenztag und dieses Mal sogar in fünf Sektionen. Selbst die gute zeitliche Organisation erlaubte es nicht, alle gewünschten Vorträge in den verschiedenen Sektionen zu besuchen, zumal es innerhalb der Sektionen auch noch „Untersektionen“ gab. Daher können nachfolgend nur die Themenschwerpunkte genannt und aus der Fülle des Angebots einige wenige Vorträge mit ihren Autoren stellvertretend kurz vorgestellt werden.
3.1 Recycling von Metallen
Ressourceneffizienz in der Eisen- und Stahlindustrie, aber auch das Recycling von Edelstählen, beispielsweise wolframhaltiger Schrotte (Dr. mont. Stefan Luidold, Montanuniversität Leoben) und von Tantal (Dr. Frank Schulenburg, HC Starck GmbH, Goslar) standen zur Diskussion. Nicht nur Deponien können als anthropogene Lagerstätten bezeichnet werden: Prof. Dr.-Ing. Jörg Woidasky, Hochschule Pforzheim, wies in seinem Beitrag die Luftfahrtindustrie als ein solches Lager aus. Über eine Erweiterung und Verbesserung der bestehenden Sortiermöglichkeiten für die Aufbereitung von Sekundärrohstoffen durch die Anwendung des bereits für die Abtrennung von NE-Metallen bei der Rückgewinnung von Tantal-Kondensatoren eingesetzten Barriere-Wirbelstromscheiders für feine Partikel berichtete Dr.-Ing. Alexander Gaun, TU Clausthal. Erstmalig wurde auch über baulichen und anlagentechnischen Brandschutz in der Abfallwirtschaft referiert, der mit den immer komplexeren und oft hochkalorischen Abfällen mehr und mehr an Bedeutung gewinnt.
3.2 Recycling von Kunststoffen und Verbunden
Nach wie vor ist die Sortierung unterschiedlicher Kunststoffarten für den Einsatz der Rezyklate in hochwertige Anwendungen eins der Recyclingziele. Die Sortiertechniken werden immer ausgeklügelter. Davon zeugte beispielsweise der Vortrag „Sortierung von schwarzen Kunststoffen nach ihrer Polymerklasse mit Hyperspectral-Imaging-Technologie“ von Ernie Becker, RTT Steinert GmbH, Frankfurt. Die sog. BlackEye-Sensorik, eine Kombination aus Mittel-IR-Spektroskopie und Hyperspectral-Imaging, kann selbst rußgeschwärzte Objekte identifizieren und sortieren. Mit der Hochleistungs-Laserspektroskopie stellte Jan Meyer, UNISensor Sensorsysteme GmbH, Karlsruhe ein Detektionsverfahren vor, das auch für schwarze Kunststoffe stoffspezifische Spektren im Bereich vom tiefen UV bis zum NIR erzeugt und sich zur Kunststoffsortierung aus Shredder-Rückständen eignet. Problematisch erweist sich auch die Aufbereitung eines zunehmend eingesetzten Verbundwerkstoffes – kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) – und entsprechende Forschungen stellen eine besondere Herausforderung dar. Insofern waren auch die Vorträge von Dipl.-Ing. Carsten H. M. Ozol, („Kohlenstofffaserrecycling – Voruntersuchungen zum elektrohydraulischen Aufschluss von kohlenstofffaserverstärktem Duroplast“) sowie von Dipl.-Wirtsch.-Ing. Thomas Krampitz („Charakterisierung von Stäuben, die bei der mechanischen Zerkleinerung von CFK entstehen“), beide TU Bergakademie Freiberg, hochaktuell, und vor allem für die Fahrzeugindustrie von höchstem Interesse.
Ein Paradebeispiel für die Komplexizität und Kompliziertheit des Recyclings hochentwickelter Anlagen ist das Recycling der Rotorblätter von Windkraftanlagen, mit dem sich das Referat von Dr.-Ing. Alexandra Pehlken, C. v. Ossietzky-Universität Oldenburg, und Prof. Dr.-Ing. Henning Albers, Hochschule Bremen, befasste. Insbesondere der vermehrte Einsatz von Carbonfasern stellt eine große Herausforderung für das Recycling der Rotorblätter dar. Selbst eine energetische Verwertung ist mit erheblichen Problemen verbunden. Trotz zahlreicher Versuche zur Zerkleinerung, Pyrolyse, Solvolyse und Verbrennung wurde noch kein Weg zur Freilegung der Einzelkomponenten gefunden, so dass es an echten Verwertungswegen für die Windradblätter noch fehlt.
3.3 Recycling von Fahrzeugen, Elektro(nik)geräten und Batterien
Diesem wichtigen Recyclingthema waren allein 9 Vorträge gewidmet, im Bereich des Fahrzeugrecyclings vom Verbleib außer Betrieb gesetzter Fahrzeuge, die nicht zum Recycling gelangen über Verwertungsquoten 2015 und Hochwertigkeit der Verwertung bis hin zu konkreten Recyclinguntersuchungen. So berichtete Prof. Dr.-Ing. Holger Lieberwirth, TU Bergakademie Freiberg über die „Aufschlusszerkleinerung metallischer Leichtbaustrukturen zur Freilegung von Wertstoffkomponenten am Beispiel einer Hybrid-B-Säule in Mischbauweise“. Bei den Untersuchungen zur Verwertung von Elektronikschrott versucht man mehr oder weniger bekannte Verfahren weiter zu modifizieren und zur technischen Reife zu bringen. Dabei wurden sowohl metallurgische Konzepte (M. Sc. Anna Tretmann/Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Bernd Friedrich, RWTH Aachen), als auch Ergebnisse einer thermischen Behandlung (Prof. Dr.-Ing. Kerstin Kuchta) sowie das Kupfer-Laugungsverhalten (Dipl.-Ing. Christoph Sorger, Montanuniversität Leoben/Österreich) vorgestellt. Abschließend berichtete Dipl.-Ing. Holger Kuhlmann, Redux-Recycling GmbH, Offenbach am Main über neue Entwicklungen bei der Verwertung von Batterien.
3.3.1 Recycling 4.0 und Informationstechnologien in der Abfallwirtschaft
In Analogie zur Industrie 4.0 wurde diese Sektion aufgestellt, denn auch im Recyclingbereich heißt es mehr und bessere Modellierung, Simulierung, Digitalisierung und Vernetzung, um einen Prozess richtig zu führen und zu erkennen, ob er ökonomisch durchführbar ist. Welche Bedeutung die Thermodynamik in diesem Zusammenhang spielt, erörterte beispielsweise Dr. Ansgar Fendel, REMONDIS Assets& Service GmbH & Co. KG, Lünen in seinem Referat „Recycling 4.0 – Entropie kann weh tun!“ Aber auch die automatische Detektion von Störstoffen in Abfällen (Hans Jürgen Maier, Maier & Fabris GmbH, Tübingen), die verwertungsorientierte Identifikation und Lenkung von Stoffströmen (Dr.-Ing. Helmut Spoon, Dr. Spoon Umwelt-Consulting, Stolberg) oder Integrierte IT-Systeme (Ing. Maurice van den Heuvel, Prometheus Informatics BV, Veenendaal/NLD) sind hier als interessante Beiträge zu nennen.
3.3.2 Aufbereitung
In dieser Sektion ging es im Wesentlichen um die Verbesserung von Recyclingtechnologien unter Nutzung der Instrumente der Industrie 4.0, beispielsweise im Beitrag von Dipl.-Ing. Erdogan Coscun et. al., RWTH Aachen („Mechanische Aufbereitungsprozesse effizient gestalten“). Dem effizienten Einsatz von Siebmaschinen waren zwei weitere Beiträge gewidmet. So demonstrierte Dr.-Ing. Peter Lang, Montanuniversität Leoben/Österreich, den Einsatz von Spezialsiebmaschinen im Recycling für viele unterschiedliche Aufgabematerialien an verschiedenen Praxisbeispielen.
4 KMU als Innovationstreiber für Ressourceneffizienz
Diese Thematik stellte die neue (fünfte) Sektion der Konferenz dar und vereinigte einige recht interessante Beiträge, die hervorragende Beispiele für Nachhaltigkeit und die Innovationskraft auch kleinerer, mittelständiger Unternehmen (KMU) sind. Schon der Vortrag von Dr. Frank Giesel, Becker + Armbrust GmbH, Berlin ließ aufhorchen: „Recyclat- Bahnschwellen für die Deutsche Bahn“! Begonnen als F/E-Projekt werden seit fünf Jahren aus thermoplastischen Kunststoffrezyklaten gefertigte Bahnschwellen im Bahnhof Charlottenburg erfolgreich getestet. Es ist davon auszugehen, dass die dafür eingereichte Probezulassung nach Ablauf der fünf Jahre in eine Dauerzulassung übergeht. Es wurde ein Investor gefunden, der das Projekt weiterführen wird.
Ein weiteres innovatives Verfahren stellte Wolfgang Zacherle, Neidhardt GmbH, Memmingen vor: Die Trennung von Kunststoff und Aluminium in den PVC-Blister-Verpackungen der Pharmazie durch mehrstufige trockenmechanische Aufbereitung. Zunächst wird ein Al mit rd. 92 % Reinheit erhalten, das sich durch weitere Aufbereitung auf 97 % und sogar 99 % verbessern lässt. Es wurden weitere Geschäftsfelder vorgestellt, z.B. die physikalisch-chemische Trennung von PE/PA-Folie und die Weiterveredlung der PE-Folie mit Pyrolysekoks als Carbon Black zu Masterbatches.
Mit der Gewinnung von Gadolinium und Platin aus pharmazeutischen Abfällen beschäftigte sich der Vortrag von Karin Jacob-Seifert, FNE Entsorgungsdienste GmbH, Freiberg. Die im Rahmen des BMFB-Forschungsvorhabens PlaGado gemeinsam mit der TH Mittelhessen und der TU Bergakademie Freiberg gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, durch chemische Verfahren GdCl3 mit > 99 % und Pt mit > 98,5 % Reinheit ökonomisch herzustellen. Das Verfahren wird seit Oktober 2016 bei der FNE GmbH wirtschaftlich betrieben.
Die Herausforderungen des Recyclings komplexer Abfälle mit ihren geringen Konzentrationen an Wertkomponenten, die oft als Verbund in der Matrix oder als chemische Verbindungen enthalten sind, dadurch hohe Lager- und Transportkapazitäten und damit eine spezielle Herangehensweise erfordern, um effizient zu sein, war Gegenstand des Referates „Innovative Recyclingprozessketten“ von Dr. rer. nat. Wolfram Palitzsch, Loser Chemie GmbH, Zwickau. „Innovative Produkte benötigen innovative Recyclingverfahren“, so sein Credo, das die Loser Chemie in einem neuen Recycling-Zentrums durch Kombination physikalischer und chemischer Technologien und unter Ausnutzung von Synergieeffekten realisieren will. An Praxisbeispielen (Si-Zellbruch → Al, Si und Ag; Dünnschichtvoltaik → Frontglas, Substratglas, Dotierungsmittel) erläuterte er die Vorgehensweise.
Die Vielseitigkeit der Innovationen offenbarte auch der Vortrag von Marc Schlüter, Kahl GmbH & Co. KG, Trittau zur Substitution von Rohmontanwachs aus Braunkohle (Produktion rd. 15 000 – 25 000 t/a), ein endlicher Rohstoff, der umweltschädliche Chemikalien wie Chromschwefelsäure erfordert, durch Wachs aus Reisschalen. Diese Wachsproduktion basiert auf einem nachwachsenden Rohstoff, der in großen Mengen zur Verfügung steht (Produktion an Reis 2011 722,8 Mio. t entsprechend 40 Mio. t Reisschalen). Gegenwärtig wird für den als NaMoRe bezeichneten Montanwachsersatz ein umweltfreundliches Verfahren erarbeitet und das Scale-up untersucht. 2018 soll die Technologie vollendet sein.
Der letzte Beitrag dieser Vortragsreihe beschäftigte sich mit der Entwicklung einer effizienten Klassierung von Rostasche (KlaRo) im Bereich < 10 mm, die bisher ineffizient oder gar nicht erfolgt. Ziel ist die Gewinnung von metallischen Wertstoffen. M. Sc. Dennis Wegkamp, pbo Ingenieurgesellschaft, Aachen stellte Versuchsergebnisse zur trockenen, feuchten und nassen Siebklassierung vor. Es wird unter ökonomischen Aspekten ein mäßiges Trocknen angestrebt. Das Gemeinschaftsprojekt mit der RWTH Aachen und der Wertstoffverwertung Wuppertal gGmbH (Rostascheproduzent) wird im Juli 2017 beendet.
5 Schlussbemerkungen
Es hat sich gezeigt, dass das Interesse an der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz trotz zahlreicher analoger Veranstaltungen im In- und Ausland ungebrochen ist. Dem Veranstaltungsteam unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Daniel Goldmann und der Programmkoordination durch Dr.-Ing. Stephanie Thiel ist es wieder gelungen, ein interessantes und mannigfaltiges Programm mit kompetenten Referenten aufzustellen, aktuelle Themen aus den verschiedenen Bereichern einzubeziehen und dem Praxisbezug in den Referaten einen hohen Stellenwert zuzuordnen. Leider entsprach der erste Konferenztag nicht ganz den Erwartungen vieler Teilnehmer, die dem Bereich Strategie, Politik und Wirtschaft zu wenige Neuigkeiten abgewinnen konnten. Auch die Podiumsdiskussion lief in etwas ruhigen Bahnen als zuvor, und hier wurde dann die Lücke, die Prof. Thomé-Kozmiensky hinterlassen hat, besonders deutlich ersichtlich: es fehlte ein wenig die Provokation, um eine kritische Auseinandersetzung mit den vielen abfallrechtlichen und strategischen Problemen zu initiieren. Dagegen war das fachspezifische Programm in gewohnter Weise hochaktuell und vielseitig. Besonders die Sektion „KMU als Innovationstreiber für Ressourceneffizienz“ zeigte, welches Potenzial in vielen Unternehmen vorhanden ist und wie nach technisch realisierbaren Lösungen für Recycling, Substitution, und die Gewinnung nachhaltiger Rohstoffe erfolgreich gesucht wird. Klar ersichtlich aber auch die Tendenz, immer komplexere Materialien z. B. in der Fahrzeugindustrie einzusetzen, die freilich einen erhöhten Aufwand bei der Rückgewinnung der Wertkomponenten erfordern. Dazu – und das zeigten viele Referenten nachdrücklich - sind neue Strategien einschließlich Erfassung, Sammlung, Logistik z. B. für die Schrottaufbereitung zu entwickeln und der Einzug von „Recycling 4.0“ zu forcieren. Die Entwicklung neuer Werkstoffe (z. B. kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe) ist bei einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft unweigerlich mit den Fragen nach ihrer Recyclierbarkeit verbunden, ein wichtiges Thema der diesjährigen BR&RK, das sicher auch auf den nächsten Konferenzen ein Topic darstellen wird. Die Fülle der Fachbeiträge berechtigt nach Ansicht der Verfasserin zu der Überlegung, ob die Plenarsitzung nicht auf einen halben Tag und die fachspezifischen Sektionen wieder auf vier beschränkt werden sollten. Die meisten Vorträge sind in „Recycling und Rohstoffe“ Bd. 10, ISBN 978–3-944310-34-3 TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, Neuruppin 2017, enthalten.
Die nächste Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz ist für den 19. – 20. März 2018 geplant.