Drastische Marktänderungen im Rohstoff-
und Recyclingbereich noch aktuell
Der Preisverfall für Primärrohstoffe prägt derzeit weltweit noch immer die Rohstoffmärkte. Nichts destotrotz stehen eine effiziente und sichere Primärrohstoffförderung, Materialeffizienz und –substitution, aber auch das Recycling als Forderungen für die globale Rohstoffversorgung. Und so dürfte auch in Zukunft – längerfristig gesehen – der Verbrauch an Rohstoffen steigen und die Preise werden sich wieder erhöhen. Umso verständlicher, dass das Interesse an der diesjährigen 9. Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz (BR&RK) ungebremst war. Knapp 300 Fachleute aus Industrie, wissenschaftlichen Einrichtungen und Behörden trafen sich am 7. und 8. März 2016 in Berlin, um die neuesten Entwicklungen auf dem Recycling- und Rohstoffsektor in den Bereichen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zu erfahren und darüber zu diskutieren.
Nach der langjährig erprobten Struktur – fachübergreifende Plenarsitzung am ersten, fachspezifische Sektionssitzungen in 4 Parallelveranstaltungen am zweiten Konferenztag – vom TK-Verlag Nietwerder-Neuruppin organisiert, oblag die wissenschaftliche Leitung Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldmann, TU Clausthal. Für die Programmkoordination war Dr.-Ing. Stephanie Thiel vom vorgenannten Verlag verantwortlich. Dabei wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Thematik Rohstoffversorgung nur durch eine Vielzahl von Akteuren aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Politik erfolgreich behandelt werden kann und das Programm entsprechend gestaltet.
1 Plenarsitzung – Rohstoffpolitik, -strategie und -forschung
Eröffnet wurde die Konferenz durch Frau M. Sc. Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Mitarbeiterin des Veranstalters, die die etablierte Tagung mit einem großen Familientreffen der „Recycler“ verglich.
Sehr eindringlich vermittelte Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldmann in seinem Eröffnungsvortrag die eingangs genannte Misere und stimmte die Zuhörer auf die Konferenz ein: der deutliche Einbruch der Rohstoffpreise auf breiter Front, ausgelöst durch den Rückgang der chinesischen Volkswirtschaft und deren Wachstumsrate, Kriege und die Flüchtlingssituation weltweit, aber auch Wirtschaftskriege und Preisdumping im Schatten der politischen Krisen. Andererseits konstatierte Prof. Goldmann, dass sich an den Langzeitprognosen für den Rohstoffverbrauch nichts ändern wird, Rohstoffsicherung und Ressourceneffizienz langfristige Aufgaben sind und ein Nachlassen bei den Aktivitäten in diesen Bereichen eine schwerwiegende Fehlentscheidung wäre. Ebenso betonte er, dass Ressourceneffizienz und Umweltschutz als doppelte Basis des Recyclings erforderlich seien. Der zunehmende globale Druck führte 2015 u. a. zur Gründung der G7-Initiative zur Ressourceneffizienz, um eine globale Strategie zu entwickeln, die es dann national umzusetzen gilt. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Förderung von Forschung und Entwicklung. Damit umriss Prof. Goldmann das breite Themenfeld der diesjährigen Berliner Konferenz.
Auch die weiteren Vorträge der Plenarsitzung beschäftigten sich mit dem Preisverfall auf den Rohstoffmärkten und den Konsequenzen für Ressourceneffizienz und Recycling. So bedauerte Reinhard Bütikover, Verantwortlicher für Rohstoffpolitik im EU-Parlament Brüssel, in seinem Beitrag „Rohstoffpolitik des Europäischen Parlaments“, dass dem Thema Rohstoffeffizienz institutionell wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, rohstoffpolitische Überlegungen ignoriert werden und viele entsprechende Maßnahmen auf Eis gelegt wurden. Es sei zu befürchten, dass sich der Preisverfall – bei Seltenen Erden beispielsweise um 80 %, oder der Verlust von 32 Mrd. US$, den die 5 größten globalen Rohstoffproduzenten 2015 verzeichnen mussten, auch 2016 fortsetzt. Es sei auch festzustellen, dass Rohstoffpartnerschaften, die in der Vergangenheit ein großes Thema waren, kaum noch praktiziert werden, wie beispielsweise die Recyclingpartnerschaft „Elektronikschrott“ mit Afrika.
Etwas provokant formulierte Prof. Dr. Rainer Bunge, Hochschule für Technik, Rapperswil/CH sein Vortragsthema „Recycling ist gut, mehr Recycling ist besser – oder nicht?“ und verriet gleich zu Anfang: Recycling ist gut, mehr Recycling ist besser, ganz viel Recycling ist Unsinn! Ausgehend von Überlegungen zu den Abfallströmen in einer globalen Wirtschaft (OECD- und Schwellenländer) ging der Referent auf Überlegungen zu ordnungsgemäßem Recycling ein. Die Erlöse steigen proportional zum Rückgewinnungsgrad (RG), die Kosten aber steigen überproportional. Das wirtschaftliche Optimum liegt bei dem RG, bei dem der Gewinn maximal ist und damit ist 100 % Recycling unbezahlbar. Aber auch ökologisch ist dieses unsinnig, denn es wird schlechter als die Gewinnung aus Primärrohstoffen. Es wurde gezeigt, dass es für jedes Recyclingsystem einen optimalen ökologischen RG gibt. Insgesamt ist eine möglichst gute Kosten-Nutzen-Effizienz zu erzielen. Für ein sinnvolles Recycling sollten sich ökonomisches und ökologisches Optimum möglichst decken. Es entspannte sich eine hitzige Diskussion, die von Fragen der Definition des Begriffs Recycling bis hin zu der Äußerung, dass strategische Überlegungen nicht berücksichtigt wären, reichte. Dazu wies Prof. Bunge darauf hin, dass geostrategische Überlegungen den Politikern nicht abgenommen werden könnten.
„Chancen und Grenzen einer Circular Economy“ zeigte Prof. Dr. Dr. hc. Markus Reuter, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie auf. Er unterstrich den Stellenwert der Thermodynamik für eine intelligente digitalisierte Kreislaufwirtschaft 4.0, die alle Bereiche – von der Gewinnung der Rohstoffe über die Produktion bis hin zum Recycling – berücksichtigen und miteinander verknüpfen muss. Die Entwicklung von Computersimulationen und Optimierungsmodellen bedarf dabei großer Datenbasen, die aber oft unvollständig sind, so dass falsche Schlussfolgerungen gezogen werden können. „Eine Kunde will wissen, welchen Profit er erzielen kann, aber auch, welches Risiko er eingeht.”
Dipl.-Ing. Peter Hoffmeyer, Nehlsen AG Bremen propagierte Ressourcenschutz durch eine CO2–optimierte Abfallwirtschaft in den Bereichen stoffliche sowie energetische Verwertung und ein intelligentes Deponiemanagement. Auch er mahnte die Beachtung der Recyclingfähikeit der Produkte bei der Herstellung an, forderte echte Produkt- und nicht Finanzverantwortung und ging auf die Gestaltungsmöglichkeiten durch Gebührensysteme ein, um die Hierarchie der Abfallwirtschaft nicht ins Leere laufen zu lassen.
Beiträge aus drei Bundesministerien beschäftigten sich mit Initiativen, Förderprogrammen und Gesetzesentwürfen zur Ressourceneffizienz. So sprach Dipl.- Mathe. Reinhardt Kaiser, BMUB, Berlin über die Fortschritte im internationalen, europäischen und nationalem Maßstab. Positiv ist die G7 Alliance on Ressource Efficiency zu bewerten. Mit Übernahme der Führung durch Deutschland 2017 ist sogar eine entsprechende G20-Initiative geplant. Dagegen ist nur über schleppende Aktivitäten der Europäischen Kommission ohne Aussage zu einem Ziel der europäischen Ressourceneffizienz zu berichten, nicht zuletzt durch die Neubildung der Umweltkommission 2014 bedingt. Umso erfreulicher ist die Umsetzung des deutschen Ressourceneffizienz-Programms, das aller 4 Jahre aktualisiert wird und jetzt als ProgRess II (2016) die Ziele bis 2020 hinsichtlich nachhaltiger Rohstoffversorgung, ressourceneffizienter Produktion sowie -effizientem Verbrauch formuliert. In der Diskussion wurde deutlich, dass Bedenken hinsichtlich des Alleingangs von Deutschland bestehen, der den Standort Deutschland gefährden könnte. So dürften die Werte für die nationale CO2-Reduktion nicht dahin gehen, dass in Deutschland kein Stahl mehr erzeugt wird. Ebenso dürfe das Ziel, immer weniger Rohstoffe einzusetzen, nicht so weit gehen, dass die Industrie zum Stillstand kommt (Null-Rohstoffverbrauch = höchste Rohstoffeffizienz!)
Dr. Lothar Mennicken, BMBF, Bonn referierte über „Beiträge der BMBF-Forschungsförderung zu einer nachhaltigen Rohstoffversorgung“. Er erläuterte den forschungspolitischen Rahmen der Bundesregierung (Nachhaltigkeitsstrategie 2002, Rohstoffstrategie 2010 und Deutsches Ressourceneffizienzprogramm 2012) und das Rahmenprogramm FONA³ – Forschung für nachhaltige Entwicklung mit den drei Leitinitiativen – Green Economy, Zukunftsstadt und Energiewende. Damit soll die Wirtschaft bei der Umwandlung zu einer umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaft unterstützt werden. Die Fördermaßnahmen r², r³, KMU-innovativ, CO2–Nutzung oder CLIENT dienen der Förderung von Forschung und Entwicklung innovativer Rohstofftechnologien bei nachhaltigem Umgang mit den Ressourcen.
„Man braucht einen langen Atem, wenn man etwas Gutes möchte“, war das Fazit von Ministerialdirigent Dr. jur. Thomas Rummler, der feststellen musste, dass es über den „Stand der Arbeiten zum Wertstoffgesetz“ gegenüber dem Entwurf vom Oktober 2015 noch nicht viel Neues zu berichten gibt. Im Januar 2016 wurde die Entschließung des Bundesrates vorgelegt, die viele zustimmende Elemente enthält, wie z. B. eine verbraucherfreundliche einheitliche Wertstofferfassung. Nun aber ist man in den fachlichen Diskurs getreten, beispielsweise über die Definition der stoffgleichen Nichtverpackungen, der Sammelmenge an Wertstoffen, die Recyclingquoten für Kunststoffe, die Vergabe der Sammelleistungen oder das Anforderungsprofil für Sachverständige und Kontrolleure.
Einen Sprung von der Theorie zur Praxis war der Beitrag von Dr.-Ing. Alexander Gosten, BSR Berliner Stadtreinigungsbetriebe mit seinen Ausführungen zu der Frage „Was bringt die Wertstofftonne“. Jahrelange Erfahrungen in Berlin haben gezeigt, dass nicht wirklich Wertstoffe in die Wertstofftonne gelangen, alles was Wert hat, vor allem Metalle und viele gebrauchte, aber noch verwendbare Gegenstände werden vom Eigentümer veräußert. Anhand von 6 Fragestellungen leitete Dr. Gosten ab, dass Aufwand und Nutzen einer Wertstofftonne in keinem Verhältnis stehen und damit kein nennenswerter Beitrag gebracht wird.
Abschließend berichtete Dr. Sabine Langkau, Fraunhofer Institut für Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme ISI, Karlsruhe über eine Studie „Rohstoffe für Zukunftstechnologien“ und präsentierte Highlights aus dem Aktualisierungsprojekt. Aus einer Sammlung von 200 neuen Technologien werden die interessantesten für eine Analyse ausgewählt und daraus Zukunftsszenarien für das Jahr 2035 (Berücksichtigung der Zeit, die für den Bau einer Mine gebraucht wird) erarbeitet. Damit sollen potenziellen Marktteilnehmern Risiken aufgezeigt und Hilfestellungen für entsprechende Gegenmaßnahmen gegeben werden. Am Beispiel der schweren Seltenen Erden für Hochleistungsmagnete wurde die Vorgehensweise detailliert erläutert.
2 Podiumsdiskussion
Der erste Konferenztag schloss mit der nun schon traditionellen Podiumsdiskussion in diesem Jahr mit dem Thema „Die Kreislaufwirtschaft im Kontext von Rohstoffsicherung und Ressourceneffizienz.” Damit bezog diese Diskussion eigentlich alle vorhergehenden Vorträge ein und der Moderator Prof. Goldmann konnte auf sehr kompetente Referenten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zurückgreifen. Zunächst standen die Frage, welche Elemente strategische Bedeutung haben werden und die europäische Rohstoffpolitik zur Diskussion. Dr. Hagelüken hob hervor, dass die Circle Economy nicht so schlecht ist, wie sie oft dargestellt wird und die Chancen für ein hochwertiges Recycling gegeben sind. Aber es steht auch die Frage, was national zu tun ist. Immerhin landen beispielsweise 5 % der Tantal-Produktion in Deutschland in der Restabfalltonne. Auch wenn beispielsweise das Recycling von Elektrokleingeräten noch defizitär sei, wird die seit Mai 2015 eingeführte Rücknahmepflicht die Ergebnisse verbessern. Nichts desto trotz reicht eine nationale Betrachtungsweise eben nicht aus. Dr. Rummler verwies darauf, dass die Verfolgung der Rohstoffwirtschaft einen Blick über den nationalen Tellerrand hinaus erfordert. Noch immer deponieren mehr als die Hälfte der EU-Mitglieder 50 % ihrer Abfälle. Das zeigt, wie wichtig eine europäische Kreislaufwirtschaft ist. Dazu müssen die Ziele hinsichtlich Produktion, Substitution und Recycling eingefordert werden.
Ein weiterer Diskussionspunkt war erwartungsgemäß das anstehende Wertstoffgesetz. Man war sich einig: das Gesetz wird die Rohstoffversorgung nicht lösen. Doch dann schieden sich die Geister. Es sollte ja keine Rückentwicklung geben, so die Befürworter des Gesetzes. Selbst wenn die Trenntechnologien heute stark verbessert sind und die Verbrennung die Rückgewinnung zahlreicher Wertstoffe (Metalle) zulässt, sollte das Wertstoffgesetz auch als Symbol für den Bürger gesehen werden, die Getrenntsammlung als effiziente Trennmethode beizubehalten. Die oft unqualifizierte Sammelpraxis, gebührenpflichtige (Restabfall) und -freie Entsorgung (Wertstoffe), Definition von Recyclingquoten standen des Weiteren im Disput.
3 Fachspezifische Sitzungen
Eine Fülle von fachspezifischen Vorträgen erwartete die Teilnehmer am zweiten Konferenztag. Im Rahmen des Berichtes ist es nicht möglich, auf alle Vorträge einzugehen. Nachfolgend sollen aber die Themenschwerpunkte genannt und einige wenige, technisch orientierte Vorträge mit ihren Autoren stellvertretend kurz behandelt werden.
3.1 Recycling von Metallen
In dieser Sektion standen sowohl Eisen und Stahl als auch NE-Metalle im Fokus der Vorträge. Recyclingstrategien wurden ebenso vorgestellt wie Prognosen zu Metallschrottaufkommen und aufbereitungstechnische Untersuchungen an Stahlschrotten oder Separationsmethoden zur Aufarbeitung von metallhaltigen Verbundwerkstoffen. Ein wichtiges Thema war das Recycling 4.0, also „die material- und branchenübergreifende Schaffung energetisch optimierter Stoffkreisläufe, die Recycling mit hoher Wertschöpfung ermöglichen“ (M. Stelter). Dipl.-Ing. Jan Ehrig, TU Bergakademie Freiberg, erläuterte an zwei metallurgischen Beispielen – Lithium-Gewinnung aus Li-Ionen-Akkumulatoren und die Gewinnung von Blei und Indium aus Bleisilikatgläsern – diese Strategie. Es wurden Verfahren entwickelt und im Labormaßstab erprobt, die unterschiedliche Stoffströme (Primär- und Sekundärrohstoff) in einem gemeinsamen Prozess vereinen, um so eine höhere Konzentrierung der Wertstoffe zu erreichen. Im Fall von Li ergaben Versuche mit Greisenerz bzw. Zinnwaldit-Konzentrat und verbrauchten Li- Akkumulatoren, dass die hybride Zusammenführung der Rohstoffe bereits in der pyrometallurgischen Stufe erfolgen kann. Das zweite Beispiel betraf das gemeinsame Recycling von bleihaltigen Gläsern und indiumhaltigen Schrotten (LCD-Bildschirme) mit dem Ziel der Gewinnung von Pb, In und weiteren Metallen sowie eines verkaufsfähigen Glases. Obgleich dabei viele Schwierigkeiten und Probleme den Prozess erschweren, wurde die prinzipielle Machbarkeit nachgewiesen. Untersuchungen zur Ökonomie stehen noch aus, außerdem sind weitere Versuche in halbtechnischen Anlagen geplant.
Der „Bedeutung energieintensiver metallurgischer Betriebe unter dem Aspekt des Recyclings von Eisen/Stahl und NE-Metallen“ widmete Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Deike, Universität Duisburg-Essen seine Ausführungen. Ausgehend von Betrachtungen zur globalen und nationalen Entwicklung von Bevölkerung, Wirtschaft, Umweltschutz und philosophischen Überlegungen zu gesellschaftlicher Verantwortung und ethischen Prinzipien relativierte er Aussagen der Studie „Grenzen des Wachstums“ von 1973 anhand von aktuellem Datenmaterial. Aus der Produktion an Stahl und NE-Metallen leitete er ab, dass sich das wirtschaftliche Wachstum und damit auch der Verbrauch an Rohstoffen nicht exponentiell, sondern eher nach logistischen Funktionen verändert. An vielen Beispielen zeigte Prof. Deike, dass die Steigerung der Ressourceneffizienz ein Merkmal der metallurgischen Industrie ist. Durch den Einsatz von Stahl- und NE-Schrotten können neue Metallprodukte mit verbesserten Eigenschaften hergestellt werden (Up-Recycling) – eine Besonderheit der metallurgischen Industrie.
Ein dritter Beitrag soll Erwähnung finden: „Eine Branche im Wandel – vom klassischen Schrotthandel zum dienstleistungsorientierten Recyclingunternehmen“, in dem Christian Blackert und Torben Kraffczyk, TSR Recycling GmbH & Co. KG Bottrop den Weg des Unternehmens und die Herausforderungen, die heute im globalen Markt an das Unternehmen gestellt werden, aufzeigte. Auch die Schrottunternehmen leiden unter dem Preisfall der Erze (2011–2015 um 78 %) und der drastischen Erhöhung der Schrottpreise (kontinuierliche Preissteigerung von 2008 bis 2011 um ca. 200 %). Hinzukommen erhöhte gesetzliche Anforderungen hinsichtlich Abfall-, Wasser-, Immissions- und Arbeitsschutzrecht.
Die Referate „Recyclingmethoden für Reststoffe aus der Kupfermetallurgie“ (Dipl.-Ing. Stephan Steinacker, Montanuniversität Leoben) oder „Rückgewinnung von Elektronikmetallen aus Solarpanel-Schrott durch Mikrowellen unterstützte Vakuumdestillation“ (M. Sc. Diana Michaelis, RWTH Aachen) sind weitere Beispiele wie Forschungseinrichtungen versuchen, dem Metallrecycling neue Wege zu eröffnen.
3.2 Recycling von Kunststoffen und Papier
Im Bereich der Kunststoffe standen u. a. biologisch abbaubare Werkstoffe (Ministerialdirigent Dr.-Ing. Ulrich Bertram, Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Hannover) und die Trennung von Verbundmaterialien zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen (Dr. Sebastian Kernbaum, saperatec GmbH, Bielefeld) zur Diskussion. Interessant waren auch die Themen beim Papierrecycling: Neben der Entwicklung von Anforderungen an die Recyclierbarkeit von Papierprodukten (Dipl.-Ing. Saskia Runte et. al., TU Darmstadt) wurden auch die Chancen für das stoffliche Recycling durch Industrie 4.0 am Beispiel der Wertschöpfungskette Papier (Dipl.-Ing. Lydia Tempel, Papiertechnische Stiftung Heidenau) sowie unter Berücksichtigung der Preisentwicklung bei der thermischen Verwertung eine alternative Nutzung der Reststoffe aus der Papiererzeugung (Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Dornack, TU Dresden) erörtert.
3.3 Recycling von Elektro(nik)geräten und Fahrzeugen
Diesem wichtigen Recyclingthema waren allein 8 Vorträge gewidmet, in denen sowohl Forschungsarbeiten vorgestellt wurden (z.B. Mechanisch-hydrometallurgisches Antimonrecycling aus Rückständen der Leiterplattenaufbereitung, Gewinnbarkeit kritischer Metalle aus Elektro- und Elektronik-Altgeräten) als auch gesetzliche Bestimmungen Berücksichtigung fanden (z. B. Grenzüberschreitende Verbringung von Elektro- und Elektronikgeräten). Aber auch Pfandsysteme für Elektro- und Elektronikkleingeräte und das Recycling als Bestandteil des Life Cycle Assessment der Fahrzeugindustrie wurde diskutiert. Kritisch beleuchtete Prof. Goldmann die „Aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen beim Recycling von Elektro- und Hybridfahrzeugen“. Er resümierte, dass die Entwicklungen bei den Fahrzeugkonzepten und auch bei den einzelnen Komponenten – vornehmlich Traktionsbatterie, Elektromotor und Leistungselektronik – von einer hohen Dynamik geprägt sind, so dass Prognosen sehr schwierig sind.
3.4 Verfahrenstechnik
Ein schönes Beispiel für die Grundlagenforschung als Basis für die Verfahrenstechnik präsentierte Dr.-Ing. habil. Siegmar Schäfer, ANDRITZ MeWa GmbH, Freiberg in seinen Ausführungen zur „Zerkleinerung beim Recycling von Spuckstoffzöpfen“. Diese fallen beim Einsatz von Altpapier in der Papierindustrie an und stellen einen intensiven metallischen Verbund von metallischen (Bindedrähte) und nichtmetallischen Komponenten (Kunststofffolien, Textilreste u.a.) dar. Wertkomponente sind vor allem die Stahldrähte mit etwa 15-35 % bezogen auf Trockensubstanz. Der Referent zeigte, mit welchen Wirkprinzipien eine effektive Zerkleinerung und damit ein erfolgreiches Recycling dieser Abfälle erreicht werden kann. Aus den Ergebnissen wurde ein optimiertes Anlagenkonzept abgeleitet und vorgestellt. Der Zweiwellen-Universal-Zerkleinerer UC 1300 (Vorzerkleinerung) sowie der modifizierte und weiterentwickelte Universal-Granulator UG 1600 S (Aufschlusszerkleinerung) erwiesen sich bei der Praxisanwendung sehr erfolgreich. Mit der Stahlfraktion (Verunreinigungen < 1 %) lassen sich gute Preise erzielen. Daneben wird eine EBS-Fraktion erhalten, die den Großteil der Feuchte des Inputs enthält (25-40 M.-%).
Die Anwendung von sensorgestützen Sortiersystemen ist heute Stand der Technik und hat die Aufbereitung von Abfällen revolutioniert. Aber auch auf diesem Gebiet verfeinern und verbreitern Weiterentwicklungen die Anwendungsgebiete wie Mag. Richard Dornauer, Binder+Co AG, Gleisdorf/Österreich in seinen Ausführungen „Möglichkeiten und Anwendungen neuster VIS/NIR-Sortierer in der Aufbereitung von Sekundärrohstoffen“ zeigte. Nach einem historischen Rückblick, der die rasante Entwicklung der Sensortechnik offenbarte, stellte er die neuste Technik seines Hauses vor: die Sensorfusion. Bei dieser Methode werden verschiedene optische Eigenschaften mit einer einzigen Sensorkombination ausgenutzt. Das bedeutet einen Informationsmehrwert in einem Prozessschritt und die Detektion einer Vielzahl von Objektmerkmalen. Mit der Kombination VIS/NIR wurde die Trennung einer Kunststoffmischfraktion 10-40 mm bei Ausschleusung der weißen Fraktion dargestellt. Eine entsprechende Anlage befindet sich in Südkorea. Die Technik ist auch für Altpapier für die Ausschleusung der Deinking-Fraktion geeignet (Anlage in der Nähe von Berlin).
Die Schwierigkeiten der Probenahme von Abfällen, insbesondere in Form von Ballen sind allgemein bekannt. Mit der Frage, welcher Parameter aussagekräftig ist und mit welcher Genauigkeit er sich bestimmen lässt, beschäftigte sich Dr. Martin Wellacher, Montanuniversität Leoben in seinem Referat „Neue Methode zur Beprobung von Abfällen in Ballen“. An Kunststoffballen, die dotiertes Material (Mo in PE eingebunden) enthielten, wurden direkte Beprobungen mit unterschiedlichen Werkzeugen ausgeführt (Lochsäge, Schlangenbohrer, Kettensäge, Kernbohrer). Der Betonkernbohrer erbrachte die besten Ergebnisse. Der Vergleich mit dem Stand der Technik zeigte, dass es sehr gut und weniger gut verteilte Parameter gibt und daher ein parameterspezifischer Messwert festzulegen ist. Heterogenität und Entmischungen während des Pressens sind auch bei dieser Methode die Schwierigkeiten, die eine genaue Erfassung erst nach Kenntnis der Parameterverteilung ermöglichen. Die Fortführung der Arbeiten beinhaltet die Verbesserung der Bohrkrone (Schneidgeometrie und Stahlart) und eine Erhöhung der Antriebskraft des Bohrmotors.
3.5 r³ Forschungs- und Entwicklungsergebnisse – Strategische Metalle und Mineralien
In dieser Sektion wurde über Forschungsarbeiten und deren Ergebnisse berichtet, die im Rahmen der Fördermaßnahmen der Bundesregierung für innovative Rohstofftechnologien mit erheblichen Mitteln im Hinblick auf den intelligenten und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen unterstützt werden. Von den 9 Vorträgen mit den unterschiedlichsten Rohstoffen (z.B. Pb-Säure-Batterien, Spurenmetalle aus Elektro/Elektronik-Geräten, Verbundbaustoffe) sollen drei stellvertretend kurz beschrieben werden.
Das Verbundprojekt „Rückgewinnung von In durch effizientes Recycling von LCD-Bildschirmen (InAcess) “ präsentierte Dipl.-Ing. Guido Sellin, Elektrocycling GmbH, Goslar. Nach der Erläuterung des Gesamtvorhabens wurden die Projektschwerpunkte Sammel-, Transport- und Betriebslogistik sowie manuelle und mechanische Behandlung der LCD-Bildschirme detailliert dargelegt. Für ein wirtschaftliches, ressourceneffizientes Recycling muss bereits bei der Sammlung angesetzt werden. Das zeigte die Einrichtung einer Altgeräte-Sammelstelle mit speziell angefertigten Gitterboxen. Ebenso beeinflusste eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und der Verbund mit dem kommunalen Entsorger das Vorhaben äußerst positiv. Neben den Zerlegeverfahren für LCD-Bildschirme mit seitlicher und flächiger Hintergrundbeleuchtung wurde ein Verfahren für die Li-Rückgewinnung entwickelt (mechanische Aufbereitung, hydrometallurgische Behandlung), mit dem fast 95 % des in der LCD-Anzeige enthaltenen In ausgebracht werden können. Die Wirtschaftlichkeit ist beim derzeitigen Preisverfall für In (von 800-1000 €/t auf 200 €/t) nicht gegeben.
Das Projekt TönsLM – Rückgewinnung von Wertstoffen aus Siedlungsabfall- und Schlackendeponien – stellte Dipl.-Wirtsch. Anna Breitenstein, TU Braunschweig vor. Durch Untersuchungen von 8000 t rückgebautem Material aus der 1988 in Betrieb genommenen Deponie „Pohlsche Heide“ im Kreis Minden-Lübecke wurde nachgewiesen, dass eine Rückbau und die Gewinnung von Wertstoffen (Enhanced Landfill Mining) technisch schon heute möglich und ökologisch sinnvoll ist. Dagegen ist im gewählten Beispiel die Ökonomie nicht gegeben. Großen Einfluss auf diese haben die Grundstücks- und die Behandlungspreise bei den MVA’s und MBA’s. Insofern sind Einzelfallprüfungen immer erforderlich.
Mit „Phytogerm“ stellte Prof. Hermann Heilmeier, TU Bergakademie Freiberg ein etwas exotisches, alternatives Verfahren vor, wie er es selbst bezeichnete. Es handelt sich um ein Phytomining-Verfahren, also die Gewinnung von (Spuren)elementen, so auch Germanium aus Pflanzen. Das Vorhaben umfasste den gesamten Prozess von der Auswahl und dem Anbau der Pflanzen über die Vergärung der Biomasse bis hin zur Ge-Extraktion. Ziele des mit der Bauer Umwelt GmbH durchgeführten Projektes sind die Identifikation von Ge-Akkumulatoren, die Erhöhung der Ge-Aufnahme und die Entwicklung eines integrierten Verfahrens zur Entnahme des Ge. Als beste Variante erwies sich die destillative Ge-Gewinnung aus Gärproduktaschen. Bei einem Ge-Gehalt der Biotrockenmasse von 10 ppm und dem gegenwärtigen Preis für Ge von 1313 €/kg (12/2015) lassen sich 39 kg/a GeO2 wirtschaftlich gewinnen. Auf die Probleme der riesigen Mengen Gülle aus den Biogasanlagen wurde in der Diskussion u. a. hingewiesen.
4 Schlussbemerkungen
Erneut hat die Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz ihren Stellenwert in der Vielzahl der im In- und Ausland stattfindenden Tagungen zu dieser Thematik behauptet, nicht nur aufgrund der Teilnehmerzahlen, sondern auch durch hervorragende Referenten und das vielseitige und umfangreiche Programm. Immer wieder gelingt es dem Veranstalter aus der Fülle der wissenschaftlichen Forschungsvorhaben und industriellen Anwendungen Themen herauszugreifen, die von allgemeinem Interesse sind, aber – vor allem in den fachspezifischen Vortragsreihen – spezielles Wissen vermitteln und zu interessanten Diskussionen, oft erfrischenden wissenschaftlichen Streitgesprächen führen. Es zeigte sich, dass besonders in wissenschaftlicher Hinsicht seit dem vergangenen Jahr mit viel Engagement und Ideenreichtum neue Weichen gestellt wurden, um Recycling und Ressourceneffizienz voranzubringen. Dagegen hinkt die Politik nach, Gesetzesentwürfe sind die eine Sache, erlassene Gesetze und ihre Umsetzung die andere. Dazwischen klaffen oft nicht nach zu vollziehende Zeiträume. Trotz europäischer Gesetze und Richtlinien bestehen in der EU nach wie vor große Unterschiede im Bereich Recycling und Ressourceneffizient.
Die meisten Vorträge sind in „Recycling und Rohstoffe“ Bd. 9, ISBN 978 –3-944310-27-5 TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, Neuruppin 2016, enthalten. Die nächste Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz findet vom 6. bis 7. März 2017 statt.