Der Sächsische Rohstofftag 2024
Auch 2024 fand der jährlich stattfindende Sächsische Rohstofftag großen Anklang, wie die Teilnahme von über 170 Gästen aus Unternehmen, wissenschaftlichen Einrichtungen, Verbänden und Behörden am 18. Juli 2024 in der Landeshauptstadt Dresden zeigte. Unter dem Motto „Rohstoffwirtschaft im Spiegel von Industrie und Geopolitik und deren Auswirkungen auf Deutschland und den Standort Sachsen“ hatte das GKZ Geokompetenzzentrum Freiberg e. V. (im Weiteren GKZ) unter Leitung des GF Dr. Wolfgang Reimer erneut eine Konferenz organisiert, deren Aktualität das hohe Interesse weckte. Dabei wurde Wert darauf gelegt, dass der weitere Aufbau der Rohstoffsicherung und Wertschöpfungsketten in Sachsen nicht nur aus Sicht einheimischer Unternehmen, sondern auch ausländischer Investoren betrachtet wird. Neben den durch die EU und Deutschland gesetzten Rahmenbedingungen wurden auch Strategien außereuropäischer Rohstoff- und Industriepolitik im Hinblick auf die genannte Thematik einbezogen.
In seiner Eröffnungsrede begrüßte Herr Dr.-Ing. Hendrik Gaitzsch, Vorstandsvorsitzender des GKZ ganz besonders den Staatsminister Martin Dulig, Sächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen hatte und den Plenarvortrag hielt. Dr. Gaitzsch dankte für die finanzielle Unterstützung durch das genannte Ministerium und betonte die Wichtigkeit desselben als Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft und damit als Ansprechpartner für die Industrie. Mit Wohlwollen wurde der Fraktionsvorsitzende der CDU, Christian Hartmann, begrüßt und gleichzeitig bedauert, dass keine weiteren Vertreter aus der Politik die Gelegenheit zum Gedankenaustausch wahrnahmen. Partnerland der Veranstaltung war in diesem Jahr Taiwan, ein Land mit großem Aufkommen an Primär- und Sekundärrohstoffen sowie mit hohen Recycling-Standards. Abschließend wies Dr.-Ing. Hendrik Gaitzsch auf die zahlreichen Player auf dem Gebiet der Rohstoffwirtschaft wie Industrie, Wissenschaft, Lehre, Kammern, Verbände, Cluster aus gewinnender und verarbeitender Industrie hin. „Aus dieser Vielfalt der Interessen wird ersichtlich, dass Rohstoffwirtschaft ein zentrales Element unserer Wirtschaft ist,“ beendete er seine Ausführungen und dankte vor allem Dr. Wolfgang Reimer, GKZ, für sein unermüdliches Engagement für diese Konferenz mit internationaler Beteiligung.
Plenarvortrag
Moderiert von Dr. Wolfgang Reimer referierte Staatsminister Martin Dulig über das Thema „Der EU Critical Raw Material Act (CRMA) – eine Chance für die sächsische Rohstoffwirtschaft“. Er bezeichnete den „inhaltsreichen“ 18. Sächsischen Rohstofftag als Forum für den Austausch und hob hervor, dass Dank des GKZ bei der Erarbeitung des CRMA Sachsen in Brüssel gehört wurde. Die Umsetzung dieser EU-Verordnung, die am 23. Mai 2023 in Kraft getreten ist, stellt für Sachsen eine Chance dar, obwohl sich mittlerweile viele Bedingungen verschlechtert haben, da viele Verbindungen auseinandergebrochen sind. Mit der CRMA soll Europa wettbewerbsfähiger gemacht werden. Es gilt ein fundiertes Rohstoffbewusstsein zu schaffen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Sachsen kann z.B. durch die Lagerstätten im Erzgebirge seinen Beitrag leisten. „Die weitgehend ablehnende Haltung gegen den Bergbau muss beseitigt werden, Abhängigkeiten sind zu reduzieren und Souveränität ist zu erreichen. Nur so kann der Wohlstand erhalten werden,“ so der Minister. Weitere Kernaussagen betrafen die Finanzierung, erforderliche Abwägungen zwischen Rohstoff-, Energiewirtschaft und Naturschutz sowie die Umsetzung der aus der sächsischen Rohstoffstrategie abgeleiteten Maßnahmen, die ein Finanzvolumen von etwa 220 Mio. € erfordern. Entsprechende Fördermaßnahmen werden derzeit erarbeitet. Mit Aussagen zur Beseitigung des Fachkräftemangels, zur erfolgreichen Fachkräftewerbung und den guten Chancen der Ausbildung in bergbaulich relevanten Bereichen mit unterschiedlichen Ausbildungsniveaus in Freiberg sowie dem Hinweis, dass das GKZ der einzige Kompetenzcluster zur Umsetzung der EU-CRMA ist, beendete Minister Dulig seine Ausführungen.
In drei Blöcken folgten anschließend 9 Fachbeiträge zu verschiedenen Unterthemen.
Sichtweisen von ausländischen Investoren über die europäischen Rahmenbedingungen im Rohstoffsektor
In einem Übersichtsbeitrag referierte Dietrich Wanke, Vorstandsvorsitzender European Lithium Ltd. West-Leederville/Australien über „Das Lithium-Bergbauprojekt Koralpe, bei Wolfsberg, Kärnten/Österreich, und die Rahmenbedingungen in puncto Energie und Finanzierung in der EU“. Die European Lithium Ltd ist ein weltweit agierendes Unternehmen, das über 44 Explorations- und zwei Bergbaulizenzen im Koralpe verfügt. Er erläuterte den Ablaufplan des Projektes (Vormachbarkeitsstudie 2018, Machbarkeitsstudie 2020/23, öffentliche Vorstellung der Studie). Die Lagerstätte umfasst 15 Erzgänge, es wurden 12,9 Mio. t Erz mit einem Gehalt von 1,0 % Li2O exploriert, so dass mit einer Menge von 800 000 t/a gerechnet werden kann, die im Über- und Untertagebau abgebaut werden können. Ein erster Probeabbau verlief erfolgreich, so dass in einer Pilotanlage die komplette Wertschöpfungskette vom Roherz über die Herstellung eines standardisierten Konzentrats mit Abscheidung von Nebenprodukten bis hin zur Produktion von batteriefähigen Li-Produkten (Li2CO3; LiOH) einschließlich der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens abgebildet werden konnte. Der Referent erläuterte das Verfahren einschließlich der sehr aufwändigen Hydrometallurgie. Durch Integrierung einer Versatzanlage unter Tage sind auch Naturschutz und Umweltschutz berücksichtigt, es entstehen keine Halden über Tage. Aussagen zur weiteren Entwicklung des Projektes und zur Strategie bei der Umsetzung (Beginn des Baus der Mine und des Spodumen-Konzentrators 2025, Produktion des Li2O-Konzentrats 2027, sowie des Li2CO3 und LiOH 2028/29) vervollständigten den interessanten Beitrag.
Mit der „Rohstoffsicherung ‚Made in USA‘ – Einblick in die Strategien und Förderungen im Zuge des Inflation Reduction Acts und ein Vergleich mit der Strategie Europas“ beschäftigte sich Präsident Volker Spieth, Gobal Metal LLC, Arizona/USA. Ausgehend vom Anwachsen der Weltbevölkerung, den stark steigenden Bedürfnissen an Rohstoffen, der ungleichen Verteilung der Rohstoffe und den unterschiedlichen Möglichkeiten, Bergbauprojekte und damit die Sicherung der Rohstoffe im eigenen Land zu realisieren, stellte er die großen Differenzen zwischen den USA und Deutschland/Europa dar. Trotz der im März 2024 verabschiedeten EU-Verordnung zu kritischen Rohstoffen, die die Versorgung mit eigenen Rohstoffen befördern soll, sind wir weit davon entfernt, in der Rohstoffsicherung deutliche Fortschritte zu machen. Wunschkonzerte sind nicht gefragt, sondern die Realität ist zu berücksichtigen. Und Amerika tut dies mit einer pragmatischen Realpolitik, beispielsweise mit dem „Defence production act“ für mineralische Rohstoffe. Ein Umdenken hat eingesetzt – weg von der Globalisierung, hin zur Absicherung nationaler Versorgungsinteressen, ein Erfolgsrezept, bei dem Politik und Wirtschaft gemeinsam agieren. (Beispiel: neue Mangan-Lagerstätte in Nevada, 2-jährige Genehmigungsphase, finanzielle staatliche Förderung, kann je nach Dringlichkeit des Projektes bis zur totalen Finanzierung gehen).
Im Vortrag von GF Marko Uhlig, Zinnwald Lithium GmbH, Altenberg und GF Dr. Stefan Scherer, AMG Lithium GmbH, Frankfurt, über „Wirtschaftspolitische Standortbedingungen zur Inwertsetzung einheimischer Lithium-Lagerstätten“ standen verlängerte Wertschöpfungsketten im Fokus. Es handelt sich um das zweitgrößte Li-Projekt in Hartgestein in der EU und das drittgrößte in Europa (Ressourcen: 2,7 Mio. t Li2CO3): es weist ein Produktionspotential von 35 Jahren auf. Geplant ist die Herstellung von 16 – 18 T t/a LiOH, die Lagerstättengröße lässt auch eine Verdoppelung zu. Staatliche Förderungen und die europäische Gesetzgebung, vornehmlich die CRMA-Verordnung (Critical Raw Material Act) begünstigen das Vorhaben. Aber trotz der wirtschaftlichen Vorteile für die Region (Schaffung von Arbeitsplätzen, Industrieansiedlung) stößt das Projekt auf große Ablehnung in der Öffentlichkeit. Daher ist auch hier die Politik gefragt, um die Weichen zu stellen, um das Ziel zu erreichen, dass das Bergwerk in 6 Jahre in Betrieb geht.
Im zweiten Teil des Vortrags wurde durch Dr. Scherer die geplante Raffinerie zur Erzeugung von Lithiumhydroxid in Bitterfeld-Wolfen vorgestellt. Es handelt sich um die erste Anlage ihrer Art in Europa, deren erstes Modul von fünf geplanten vor Kurzem in Betrieb gegangen ist. Als Rohstoff dient Material aus einer eigenen Li-Mine in Brasilien, aber auch aus anderen Minen und natürlich später aus Altenberg, aber auch Recyclingmaterial. Schon heute wird die nächste Generation von Batteriematerial (Sulfide) in Angriff genommen.
Partnerland Taiwan und Entwicklungen in der Recycling- und Sekundärrohstoffindustrie in Sachsen
Eine Vorstellung von dem Wissensstand und Forschungsniveau auf dem Gebiet der Halbleiterindustrie in Taiwan vermittelte im Rahmen der Forschungskooperation mit Deutschland Dr. Jung-Yu Liao, Projektleiter (Senior-Researcher) des ITRI Industrial Technology Research Institut (Forschungsinstitut für Industrietechnologie)/Taiwan in seinem Beitrag „Taiwan’s recycle statusof fluids in semiconductor fab and critical raw materials“ (Taiwans Stand des Recyclings von Flüssigkeiten bei der Halbleiterfertigung und von kritischen Rohstoffen). Er gab zunächst einen kurzen Überblick über die Historie des Instituts, das 1970 gegründet wurde und maßgeblich die Entwicklung der taiwanesischen Halbleiterindustrie befördert hat. Es hat weltweit Beziehungen zur Industrie, zu Forschungsinstituten und Universitäten und gilt als Modell einer erfolgreich staatlich geförderten industriellen Entwicklungspolitik. Wesentlicher Forschungsinhalt ist die Untersuchung der grundlegenden Herstellungsprozesse von Halbleitern, wobei bekanntermaßen die Reinheit der Chemikalien, insbesondere der Ätzmittel wie Schwefel- und Flusssäure eine herausragende Rolle spielt. Dem Recycling und der Wiederverwendung dieser Chemikalien wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet, wobei ein Ziel ist, Chemikalien so hoher Reinheit zu erhalten, dass sie wieder in der Halbleiterindustrie eingesetzt, oder aber zumindest für andere technische Anwendungen verwendet werden können.
Dem Ziel eines Hightech-Recyclings widmet sich auch Dr. Wolfram Palitzsch, geschäftsführender Gesellschafter der LuxChemtech GmbH, Freiberg, wie er in seinem Referat „Hightech-Produkte erfordern Hightech-Recycling und optimale Rahmenbedingungen – Erfahrungen vom Standort Freiberg“ darlegte. Sein Plädoyer lautet, nicht mehr von Abfall, sondern viel mehr von Wertstoffen zu sprechen, sofern sie ins Recycling gehen. Allen Hightechprodukten ist gemeinsam, dass die Wertmaterialien meist in sehr geringen Mengen vorhanden sind und daher Hightech-Methoden zu ihrer Rückgewinnung erfordern. Am Beispiel von Solarzellen (Schichtanteil nur 0,047 %) erläuterte der Referent die Möglichkeiten eines hochwertigen Recyclings, dessen Hauptziel nicht die Gewinnung von Glas, sondern der kritischen Rohstoffe ist. Er zeigte dafür verschiedene Möglichkeiten auf wie z.B. das Zerlegen der Module in Schichten mit dem Wasserstrahlverfahren oder die chemische Behandlung mit nichtaggressiven (organischen) Reagenzien. Erste Untersuchungen mit Produktionsabfällen verlaufen sehr erfolgreich. Mit viel Engagement und Überzeugungskraft vertritt Dr. Palitzsch die Meinung, dass „wir Produkte retten und dafür einen Markt finden müssen, und verbrauchte Produkte nicht bis zum letzten Wertstoff-Atom recyceln“.
Diesem Résumé stimmte auch Prof. Dr.-Ing. Holger Lieberwirth, IART, TU Bergakademie Freiberg mit seinem excellenten Beitrag „Herausforderungen und Grenzen des Recyclings – Ökonomie und Ökologie im Wettstreit“ zu und zeigte dies an vielen, sehr eindrucksvollen Beispielen (Windkraftanlagen, Batterie- und Kunststoff-Recycling). Zunächst betrachtete er den Rohstoffbedarf von 1972 bis 2050, der vom Club of Rom einst als stetig steigend angesetzt wurde, jetzt aber exponentiell verläuft und daher mit 170 Gt das Siebenfache des Verbrauchs prognostiziert. Bei der Betrachtung der Rohstoffbedarfe und Recyclingpotenziale unter dem Aspekt des Wandels des sozialökonomischen Metabolismus im 20. Jahrhundert (Übergang zu einem System, bei dem die meisten Materialen im Bestand gehalten werden) muss festgestellt werden, dass die Bestandsmaterialien dem Recycling temporär nicht zur Verfügung stehen. Weitere Betrachtungen galten der Thematik Energiewende und Rohstoffe (Beispiel Einsatz von Carbonfasern und ihr energieintensives Recycling) sowie Recycling zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Daraus lässt sich ableiten, dass Rohstoffe so lange wie möglich im Kreislauf gehalten werden sollten, hochwertiges Recycling ist das Gebot der Stunde, ohne Ökonomie gibt es keine Ökologie, die Energiekosten und Recycling stehen in direkter Beziehung, wobei die Energiepreise letztendlich das Recycling stoppen. Sein Fazit: „Recycling müssen wir uns leisten wollen, aber wir müssen es uns auch leisten können; und schließlich sei die Frage erlaubt: Lieber Bürger, wieviel bist Du bereit, für die schöne saubere Umwelt zu zahlen?“
Schlussbemerkungen
In seinem Schlusswort gab der Vorstandsvorsitzende des GKZ Dr.-Ing. Hendrik Gaitzsch seiner Freude Ausdruck, dass alle wichtigen Vertreter der Einladung zum 16. Sächsischen Rohstofftag gefolgt waren, dabei besonders erfreulich die Teilnahme von Studenten und immerhin einer Gymnasiallehrerin. Leider war – wie eingangs schon erwähnt – bis auf einen MdL der CDU die Politik nicht vertreten, obgleich bekannt sein sollte, wie wichtig die Politik als Player auf dem Rohstoffgebiet ist. Dr. Gaitzsch pries die Vielfalt der Vorträge, dankte allen Vortragenden und besonders Dr. Reimer als Hauptakteur der Veranstaltung. Dieser dankte seinerseits jedem Referenten mit einem persönlich zugeschnittenen Präsent und ausgewählten Worten für seinen Vortrag.
Dem Veranstalter gebührt erneut Dank für eine gelungene Veranstaltung mit einem sehr interessanten und wohl proportionierten Vortragsprogramm und einem disziplinierten Tagungsverlauf, die einmal mehr bewies, wie wichtig die möglichst unabhängige Rohstoffsicherung gerade in so politisch unruhigen Zeiten ist. Der diesjährige Sächsische Rohstofftag machte es mit den Worten von Dr. Gaitzsch deutlich: Aus der Welt nach Sachsen und umgekehrt – das sollte das Motto für die nächste gleichnamige 17. Veranstaltung im Jahre 2025 sein.
Autorin:
Dr. Brigitte Hoffmann, Consulting Kreislaufwirtschaft/Umweltschutz, Oberschöna/Deutschland