Transformationen in der Rohstoffwirtschaft – 11. Rohstofftag in Sachsen-Anhalt
29.10.2024Die Rohstoffwirtschaft steht durch die vielfältigen Anforderungen aus immer strenger werdenden Umweltauflagen, Anforderungen der Energiewende, der geplanten Änderungen am Bundesberggesetz oder der zunehmenden Digitalisierung vor der Herausforderung von Transformationen.
Auch in diesem Jahr waren wieder viele Gäste zum Rohstofftag nach Röblingen gekommen
© Michael Schlutter
Mit diesen Themen befasste sich der 11. Rohstofftag Sachsen-Anhalt, der am 28. August in Röblingen am See stattfand. Erneut waren über 130 Vertreter aus Unternehmen, Behörden, Verbänden und Hochschulen der Einladung der Industrie- und Handelskammern (IHK) Halle-Dessau und Magdeburg gefolgt, welche gemeinsam mit dem UVMB und dem Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) diese Veranstaltung seit Jahren organisieren.
Es müsse mehr Information über den Rohstoffabbau geben, sagte Sven Schulze, Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten
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Sachsen-Anhalt ist ein rohstoffreiches Land. „Die Rohstoffsicherung und -gewinnung in Sachsen-Anhalt ist nicht nur eine Aufgabe, sondern ein Teil Sachsen-Anhalts“, stellte Sven Schulze, Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt in seinem Grußwort fest. Er unterstrich damit, dass die sichere, kostengünstige und verbrauchernahe Versorgung mit Rohstoffen eine Grundvoraussetzung erfolgreicher Wirtschaftsentwicklung ist. Es sei wichtig, sich der oftmals negativen öffentlichen Meinung gegenüber der Rohstoffwirtschaft zu stellen, denn „Rohstoffe haben in Sachsen-Anhalt eine hohe Präferenz – jetzt und auch in der Zukunft“, so der Minister.
Die Referenten des 1. Themenblocks (v.l.n.r.): Dr. Danilo Wolf, Bert Vulpius, Matthias Greye und der Moderator Hendrik Senkbeil, Leiter des Geschäftsfeldes Innovation und Umwelt der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau
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Die aktuelle Landesregierung hat die Sicherung von Rohstoffen in ihrem Koalitionsvertrag verankert. Dieser sieht unter anderem die Erstellung eines Rohstoffsicherungskonzeptes vor, welches die Grundlage für die Landes- und Regionalplanung bilden soll. Dr. Danilo Wolf vom Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt stellte dieses Konzept vor, welches kurz vor der Veröffentlichung steht. Insgesamt würden darin 132 Gewinnungsstellen ausgewiesen, davon überwiegend Kies- und Sandlagerstätten, gefolgt von Hartgestein und Kalkstein. Dr. Wolf stellte fachliche Empfehlungen zur Einstufung von oberflächennahen Rohstofflagerstätten für die Rohstoffsicherung in den Landes- und Regionalentwicklungsplänen vor und gab eine Gesamtanalyse und Bewertung dazu: „Einige Lagerstätten sind derzeit nur teilweise gesichert, was man durchaus kritisch betrachte.“ Sachsen-Anhalt sei ein rohstoffreiches Land mit einem hohen Erkundungsstand. Dieses außergewöhnliche Potential müsse richtig genutzt werden, lautete sein entsprechender Appell an die Raumplanung.
Zu den Vorträgen konnten auch Fragen gestellt werden
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Matthias Greye vom Ministerium für Infrastruktur und Digitales Sachsen-Anhalt stellte anschließend den Entwurf des neuen Landesentwicklungsplanes (LEP) von Sachsen-Anhalt vor, der spätestens Anfang 2026 in Kraft treten soll. Die Planungsunterlagen haben Anfang 2024 für eine öffentliche Beteiligung ausgelegen, aus der über 5.500 Hinweise und Stellungnahmen eingegangen sind. Greye erläuterte die Bedeutung der Raumordnung und sprach über ausgewählte Festlegungen des LEP zum Thema Rohstoffsicherung. So sei die Sicherung von insgesamt 35 landesbedeutsamen Vorranggebieten für oberflächennahe und tiefliegende Rohstoffe vorgesehen. Neu seien dabei die Aufnahme von Kiessandlagerstätten und das Instrument „Vorranggebiete für vorsorgende Rohstoffsicherung“, welches der Regionalplanung zur Verfügung steht, um bedarfsunabhängig gut erkundete, überregional bedeutsame Lagerstätten bzw. Lagerstättenteilflächen (Anschlussflächen) zu sichern. Zudem sollen landesweit Erkundungs- und Aufsuchungsarbeiten unterstützt und ermöglicht werden. Auch Braunkohlelagerstätten würden aufgrund ihrer stofflichen Nutzung im neuen LEP weiterhin berücksichtigt. Insgesamt habe „der Druck auf die Fläche in letzter Zeit enorm zugenommen, auch durch regenerative Energien“, so Greye.
Die Referenten des 2. Themenblocks (v.l.n.r.): Prof. Dr. Bernd Dammert, Remigius Adamczyk und Moderator Bert Vulpius
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Anschließend griff Bert Vulpius vom Unternehmerverband Mineralische Baustoffe (UVMB) e.V. den Faden auf und bewertete die Rohstoffsicherung in Sachsen-Anhalt aus Sicht der Wirtschaft. Dabei hob er besonders den Koalitionsvertrag des Bundeslandes hervor, welcher bereits positive Akzente für die Baustoffindustrie setze und die wirtschaftliche Notwendigkeit der Rohstoffsicherung herausstelle. Damit schaffe die Landesregierung bereits auf dieser Ebene eine wichtige Grundlage für die Rohstoffsicherung im Land. Mit dem Rohstoffsicherungskonzept bekomme die Raumplanung zudem eine fachlich fundierte Grundlage zur Ausweisung von Vorranggebieten für die Rohstoffsicherung an die Hand. Vulpius sprach über die allgemeinen Anforderungen der Wirtschaft an die Fortschreibung des LEP. Er lobte den Planungsansatz des LEP und plädierte für eine nicht zu starke Überplanung des Raumes sowie eine multifunktionale Freiraumnutzung beispielsweise beim Hochwasserschutz und alternativen Energien wie Freiflächen- und schwimmende Solaranlagen in Gebieten der Rohstoffsicherung.
Prof. Dr. Bernd Dammert von der Kanzlei Dr. Dammert & Steinforth Leipzig gab anschließend einen aktuellen Sachstandbericht zur geplanten Modernisierung des Bundesberggesetzes. Zwar sei mit einigen Änderungen, insbesondere im Bereich Geothermie und Zulassung zu rechnen, derzeit seien allerdings noch keine Referentenentwürfe für grundlegende Änderungen bekannt.
Auch in den Pausen wurde intensiv diskutiert
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Seit einem reichlichen Jahr ist bereits die Mantelverordnung in Kraft. Unternehmen und Behörden bemühen sich gleichermaßen um eine entsprechende Umsetzung der Regularien. Im Vergleich der verschiedenen Bundesländer zeichnen sich zunehmend unterschiedliche Handhabungen mit den neuen Regelungen ab. Hierzu erläuterte Remigius Adamczyk vom Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt die Umsetzung der neuen Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung bei der Verwertung mineralischer Abfälle in Tagebauen in Sachsen-Anhalt, zeigte Unterschiede und Abgrenzungen zur Ersatzbaustoffverordnung auf und ging zum Schluss gezielt auf verschiedene Praxisfragen ein.
Der letzte Themenblock der Veranstaltung befasste sich mit Best-Practice-Beispielen der Transformationen in der Rohstoffwirtschaft.
Die Referenten des 3. Themenblocks (v.l.n.r.): Max Pescher, Dr. Hendrik Möller, Danny Wehnert, Hans-Marcus Knoll und der Moderator Dr. Christoph Gauert, Dezernatsleiter Angewandte Geologie, Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt
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Über Energie-, Ressourceneffizienz & CSR in einem KMU der Rohstoffindustrie gab Max Pescher von der Cronenberger Steinindustrie Franz Triches GmbH & Co. KG seine Erfahrungen weiter. Obwohl sein Unternehmen ökologisch schon sehr gut aufgestellt sei, habe man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit noch einmal intensiv beschäftigen müssen, insbesondere bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß ESRS (European Substainability Reporting Standards). Weitere Berichtspflichten würden mit der Novellierung der Bauproduktenverordnung erwartet. Dabei ging Pescher auch auf die Anwendung und den Nutzen von „ORIS“, einem CO2-Kalkulator für Gesteinskörnungen, ein und berichtete von den ersten Erfahrungen mit dem System DigiEcoQuarry (DEQ). Die Franz Triches GmbH & Co. KG habe einen Testbetrieb als Teil eines Forschungsprojektes durchgeführt, in dem ein System entwickelt und unter Realbedingungen getestet wird. Hier können in einem Portal wesentliche Maschinendaten, wie beispielsweise Leerlaufzeiten, Umlaufzeiten, gefahrene Distanz, Verbrauch pro Stunde und transportierte Tonnage pro Stunde herstellerunabhängig abgebildet werden, so Pescher.
„Wir entwickeln unser Unternehmen für ein Leben nach der Braunkohle.“, leitete Hans-Marcus Knoll von der ROMONTA GmbH seinen Vortrag über den Strukturwandel als Chance für Transformation, Kulturwandel und Innovation ein. Mit über 400 Mitarbeitern in der Unternehmensgruppe gewinne man derzeit in Amsdorf Braunkohle für die Herstellung von Montanwachsprodukten, die weltweit vermarktet werden. Gleichzeitig würden neue alternative Geschäftsideen erschlossen. Neben regenerativen Energien und einer Wasserstofferzeugung zählen hierzu auch verschiedene Recyclingverfahren.
Über 4 Mrd. t Zement und 35 Mrd. t Beton werden jährlich weltweit produziert. Vor diesem Hintergrund informierte Dr. Hendrik Möller von SCHWENK Deutschland über Wege der CO2-Einsparung in der Zementindustrie und stellte verschiedene Möglichkeiten vor. Mit CCUS (Carbon Capture, Utilisation und Storage) könne man über Abscheidung, Speicherung oder der Verwertung von Prozeß-CO2 die Emissionen in der Klinkerproduktion um 40 % senken. Dies wäre jedoch mit sehr hohen Kosten bei der Investition sowie dem Strom- und Wärmebedarf verbunden. Einen anderen Weg geht SCHWENK Deutschland gemeinsam mit Heidelberg Materials, VICAT und Dyckerhoff in einem gemeinsamen Forschungsprojekt „Catch4Climate“. Am Standort Mergelstetten wird hierfür eine Forschungs- und Entwicklungsanlage zur Abscheidung von CO2 unter Anwendung des „Oxyfuel-Verfahrens“ errichtet. Die Anlage befindet sich derzeit im Aufbau und soll im Frühjahr 2025 in Betrieb genommen werden.
Zum Schluss stellte Danny Wehnert von der Leipziger Energiegesellschaft mbH und Co. KG praktische Möglichkeiten der Nutzung von bergbaulichen Flächen für die Erzeugung alternativer Energien vor. Dabei ging er speziell auf „Floating-PV“ ein. Laut dem Fraunhofer Institut ISE wäre mit Floating-PV-Anlagen an den künstlichen Seen in Deutschland eine Gesamtleistung von 44 GWp umsetzbar. Im Gegensatz zu landwirtschaftlichen Nutzflächen gebe es hier kaum eine Flächenkonkurrenz, so Wehnert. Deutschland hänge mit dem Bau von PV-Anlagen auf Seeflächen allerdings noch hinterher. Bremsend wirke vor allem die Bürokratie, nicht zuletzt wegen der gesetzlichen Limitierung der Anlagen auf 15 % der Gewässeroberfläche oder auch dem geforderten Uferabstand von 40 m nach dem Wasserhaushaltsgesetz. Dabei haben die Anlagen viele Vorteile – neben der Eigenversorgung mit Energie tragen die Anlagen zur Reduktion der Wasserverdunstung, der Randzonenerosion und des Algenbewuchses bei.
Nach dem Vortragsteil konnten Interessenten den Braunkohletagebau Amsdorf besichtigen. Hans-Marcus Knoll von der ROMONTA GmbH gab sachkundige Erläuterungen
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Am Ende der Vortragsblöcke hatten interessierte Teilnehmer die Möglichkeit, gemeinsam mit Marcus Knoll, den Braunkohlentagebau Amsdorf sowie die Anlagen der ROMONTA GmbH aus nächster Nähe zu besichtigen.