Gemeinsam stark für Rohstoffsicherung, Artenvielfalt und Naturschutz
13.11.2018
1 (V.l.) Christoph Hagemeier, vero-Landesvorsitzender Hessen, und Gerhard Eppler, Landesvorsitzender NABU Hessen, freuen sich über die Kooperation
Quelle: vero
Der Verband der Bau- und Rohstoffindustrie (vero) und der Naturschutzbund Hessen (NABU) präsentierten im Steinbruch Roßdorf gemeinsame Forderungen an die Landespolitik. Die regionalen Unternehmen der oberflächennahen Rohstoffindustrie in Hessen fördern wichtige Rohstoffe für Verkehrswege- und Wohnungsbau. Bereits während der Gewinnungstätigkeit entstehen gleichzeitig Lebensräume für selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Somit leisten die Unternehmen nicht nur einen substantiellen Beitrag zur Versorgung der Wirtschaft, der öffentlichen Hand und der Bevölkerung. Sie haben auch die Möglichkeit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und des Artenschutzes zu leisten.
Daher haben der Verband der Bau- und Rohstoffindustrie e.V. (vero) und der NABU Hessen einen Dialogprozess gestartet. Das gemeinsame Ziel lautet: Sicherung und Nutzung der heimischen Rohstoffreserven bei gleichzeitig verbessertem Natur- und Artenschutz.
Gerhard Eppler, Landesvorsitzender NABU Hessen begrüßt die Kooperation: „Für eine Vielzahl von bedrohten Arten wie z.B. Flussregenpfeifer oder Gelbbauchunke sind Abbaugebiete die letzten Rückzugsräume in unserer Landschaft geworden. Diese Lebensräume wollen wir gemeinsam positiv weiter entwickeln.“ Der vero-Landesvorsitzende Christoph Hagemeier stellte heraus: „Dass volkswirtschaftliche, industrielle und ökologische Interessen in einem Bereich so große Überschneidungen aufweisen, ist selten. Die öffentliche Wahrnehmung ist durch sehr wenige pressewirksame Fälle von größerem Flächenanspruch und Konflikten bei der Rohstoffgewinnung häufig negativ besetzt. Dies wird der Thematik überhaupt nicht gerecht. Vor, während und nach der Rohstoffgewinnung gibt es auf unseren Gewinnungsflächen Natur und Artenvielfalt – welche Nutzungsart kann dies sonst schon vorweisen?“
Gemeinsam führten die Veranstalter vor, wie im Abbaubetrieb ein Lebensraum im Steinbruch regelmäßig durch den laufenden Betreib entsteht. Besonnte Kleingewässer und warme nährstoffarme Flächen zeichnen die Steinbruch Lebensräume aus. Diese sind ökologisch von hoher Bedeutung, da diese in unserer Landschaft fast nicht mehr vorkommen. Heuschrecken Arten wie die Blauflügelige Ödlandschrecken oder Wildbienen profitieren von dieser Maßnahme. Das neue Kleingewässer wird von Arten wie der Gelbbauchunke oder der Wechselkröte besiedelt.
Die Mitgliedsunternehmen des vero sind sich ihrer Verantwortung bewusst, der Mehraufwand, den Artenschutz in den Betrieben über die gesetzlichen Vorgaben hinaus freiwillig zusätzlich aktiv zu fördern, sei vertretbar und würde von den vor Ort Verantwortlichen gerne gemacht, so Hagemeier. „Die Nutzung regionaler Rohstoffreserven ist eine Grundvoraussetzung für eine nachhaltige und umweltfreundliche Wirtschaftsentwicklung in Hessen – der Rohstoffreichtum ist ein echter Standortvorteil“, betont Hagemeier, der die Region und die Branche bestens kennt. „Aber die Gewinnung heimischer Rohstoffe muss auch in Zukunft gewährleistet werden und daher in den Plänen der Landesregierung verankert und gefördert werden“, führt er weiter aus.
2 (V.l.) Christoph Hagemeier, vero-Landesvorsitzender Hessen und Gerhard Eppler, Landesvorsitzender NABU Hessen mit der unterzeichneten Forderung für eine nachhaltige Rohstoffsicherung sowie verbesserten Natur- und Artenschutz in Hessen
Quelle: vero
Forderungen an die hessische Politik – für eine nachhaltige Rohstoffsicherung sowie verbesserten Natur- und Artenschutz in Hessen
Präambel
Die Nutzung regionaler Rohstoffreserven und ressourcenschonender Produktionsverfahren sind Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige und umweltfreundliche Wirtschaftsentwicklung in Hessen. Große Teile der Betriebsflächen des heimischen oberflächennahen Rohstoffabbaus bieten bereits während der Gewinnungstätigkeit wichtige Refugien für selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Die hessische Rohstoffwirtschaft fördert somit Biodiversität und Artenschutz. Mit diesem Selbstverständnis haben sich die Landesverbände der Rohstoffindustrie Hessen (vero) und des NABU zu einem Dialogprozess zusammengefunden, um zu gemeinsamen industriepolitischen Einschätzungen zu kommen.
Es gilt dabei auszuloten, mit welchen Mitteln und unter welchen Rahmenbedingungen die Sicherung und Nutzung der heimischen Rohstoffreserven und der Schutz der Natur, gleichermaßen gewährleistet werden können. Damit soll u.a. das Ziel erreicht werden, dass Unternehmen, die in besonderem Maße die Umwelt schonen und aktiv den Artenschutz fördern, nicht durch die Rahmenbedingungen in Hessen nachteilig beeinflusst werden. Dies trägt letztendlich auch zur Sicherung der Arbeitsplätze in den hessischen Gewinnungsbetrieben mit ihren vor- und nachgelagerten Dienstleistern und einen verbesserten Natur- und Artenschutz bei.
Zur Sache
Hessen ist ein rohstoffreiches Bundesland – dies ist wirtschaftlich ein bedeutender Standortvorteil. Hier werden in den rund 290 Gewinnungsbetrieben u.a. Basalt, Gabbro, Diabas, Granit, Grauwacke, Quarzit und Sandstein, Sand und Kies, sowie Ton und Kalk abgebaut. Hessen steht mit ca. 32 Mio. t Jahresfördermenge im bundesweiten Vergleich an vierter Stelle. Jeder Hesse verbraucht statistisch gesehen ca. 5000 kg heimische Rohstoffe im Jahr.
Die Unternehmen der Rohstoffindustrie in Hessen leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Wirtschaft, der öffentlichen Hand und der Bevölkerung. Da die Rohstoffe bodengebunden sind, ist die Rohstoffindustrie darauf angewiesen, die Rohstoffe dort zu gewinnen, wo sie vorkommen. Sie sind aufgrund geologischer Gegebenheiten ungleichmäßig über die Landesfläche verteilt. Regionale Verfügbarkeit von Rohstoffen und damit kurze Transportwege sparen Steuergelder und reduzieren vor allem umweltschädliche Emissionen.
Die Steigerung der Akzeptanz von Rohstoffgewinnungsaktivitäten ist und bleibt eine Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Politik benötigt die Unterstützung der Wirtschaft vor Ort – und umgekehrt. Unstrittig ist, dass die Rohstoffgewinnung möglichst ressourcenschonend und umweltverträglich erfolgen muss. Für bestimme Arten sind Abbaugebiete die letzten Überlebensrefugien. Die Unternehmen sichern ihrerseits zu, den Arten- und Naturschutz in ihren Gewinnungsbetrieben über den gesetzlichen Rahmen hinaus aktiv zu fördern.
3 Warme und nährstoffarme Flächen zeichnen die Steinbruch-Lebensräume aus. In diesem Totholzstapel finden zahlreiche Insekten einen Unterschlupf. Der aufgeschüttete Erdwall beherbergt Eidechsen und seltene Heuschrecken-Arten
Quelle: vero
Rohstoffgewinnung nachhaltig sichern sowie Natur- und Artenschutz professionalisieren
Dabei bedarf es einer gezielten Förderung der wirtschaftlichen und umweltverträglichen Gewinnung heimischer Rohstoffe durch Politik und Verwaltung:
1.Die Politik auf Landesebene sollte grundsätzlich für straffere Verfahrensabläufe von Genehmigungsverfahren sorgen, ohne die bestehenden Beteiligungsrechte und Umwelt-standards einzuschränken, damit sich die Dauer für die Durchführung von Genehmigungs- und Zulassungsverfahren für die Genehmigung im Bereich der Rohstoffgewinnung, aber auch für die Errichtung von modernen und umweltfreundlicheren Produktionsanlagen nicht weiter unverhältnismäßig verlängert.
2.Da sich die Anforderungen, u.a. des Umweltrechts, in den letzten Jahren sehr schnell und oft auch inhaltlich verändert haben, sollte die Politik auf Landesebene dafür sorgen, dass mehr qualifizierte Fachkräfte/Experten in den Genehmigungsbehörden eingestellt werden, um mit den steigenden Anforderungen Schritt zu halten. Dies dient einerseits einer fachgerechten und professionellen Bearbeitung von Genehmigungsverfahren, andererseits werden diese dadurch effizienter und die Bearbeitungszeiten kürzer. Dies hätte darüber hinaus auch positive Auswirkungen auf wichtige Infrastruktur- und Bauvorhaben, schnellere Investitionen sowie einen verbesserten Natur- und Artenschutz.
3.Zur Umsetzung von Naturschutz vor Ort sollten behördenübergreifende und zivilgesellschaftliche Organisationsformen (z.B. Landschaftspflegeverbände, Biologische Stationen, Naturschutzbeiräte o.ä.) eingerichtet und gefördert werden, in denen Landnutzer, Naturschützer und Fachbehörden Konzepte und Maßnahmen erarbeiten und umsetzen, die zur Erhaltung der Biodiversität dauerhaft beitragen.
Diese Punkte würden vero und NABU gerne im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung verankert wissen.