„Wir setzen die Welt in Bewegung“
Zu den Branchen, in denen die Antriebslösungen von Getriebebau NORD zum Einsatz kommen, zählen u.a. die Flughafentechnik, die Logistikindustrie, die Lebensmittel-, Chemie- und Pharmazeutische Industrie, wie auch die Stahl-, die Zement- und die Mineralaufbereitungsindustrie. Für die letztgenannten Industriebereiche hat Getriebebau NORD entsprechend große Industriegetriebe entwickelt, mit deren Produktion das Unternehmen 2009 am Haupt-standort Bargteheide startete.
Wie bei allen Produkten von Getriebebau NORD spiegelt sich auch in der Fertigung dieser Industriegetriebe die Firmenphilosophie eines perfekt abgestimmten Baukastensystems wider. Die Besonderheit dieser Philosophie war Thema eines Gesprächs der Redakteurin Ulrike Mehl von der Fachzeitschrift AT MINERALS PROCESSING mit Dr. Omar Sadi (Bild 1), Technischer Geschäftsführer von Getriebebau NORD und Jörg Niermann (Bild 2), Bereichsleiter Marketing des Unternehmens.
Jörg Niermann: An erster Stelle ist das Blockgehäuse zu nennen, das Getriebebau NORD Anfang der 1980er Jahre als erste Firma entwickelt hat (Bild 3). Dieses ungeteilte Gehäuse bietet große Vorteile.
Dr. Omar Sadi: Das ist richtig. Bei allen NORD-Getrieben sind die Lagerstellen in einem ungeteilten Gehäuseblock integriert. Es gibt also keine drehmoment- und querkraftbelasteten Dichtflächen. Es gibt nur eine Öffnung im Gehäuse, durch die Einzelkomponenten wie Zahnräder montiert werden. D.h. es existiert nur eine größere Dichtungsfläche beim Montagedeckel an einer vom Drehmoment völlig unbelasteten Stelle. Bei einem geteilten Gehäuse versuchen die Verzahnungskräfte die beiden Gehäusehälften zu trennen, welches man mit besonderen Maßnahmen verhindern muss. In der Regel sind die geteilten Gehäuse dadurch schwerer.
Unsere Blockgehäuse können hohe Lasten aufnehmen, dadurch ist eine längere Lebensdauer sichergestellt. Die Industriegetriebe haben ebenfalls ungeteilte Gehäuse (Bild 4). Als einziger Hersteller benutzt NORD dieses Konstruktionsprinzip bis zu einem Drehmoment von 242 000 Nm.
Jörg Niermann: Ein weiteres Erfolgskriterium ist unser Baukastensystem, das wir für alle Produktgruppen realisiert haben. Wir verfügen in allen Baugrößen über eine sehr breite Vielfalt bei der Auswahl von perfekt aufeinander abgestimmten Einzelkomponenten. Damit sind wir in der Lage, die jeweiligen Antriebslösungen individuell auf die Bedürfnisse und Anforderungen unserer Kunden auszurichten.
Dr. Omar Sadi: Mit der Industriegetriebe-Baureihe können wir eine sehr hohe Variantenvielfalt abdecken und Anwendungen bedienen, für die unsere anderen Baureihen nicht geeignet sind. Deshalb beginnen die Industriegetriebe bereits bei einem Nenndrehmoment von 25 000 Nm – d.h. hier gibt es eine gewollte Überschneidung mit unseren anderen klassischen Getrieben, wie dem 3-stufigen Kegelradgetriebe mit maximal 50 000 Nm oder dem Flachgetriebe mit maximal 90 000 Nm. Mit der Baureihe der Industriegetriebe haben wir eine Erweiterung erreicht bis zu einem Drehmoment von 242 000 Nm. Darüber hinaus bietet dieses Programm eine breitere Varianz an Zubehör wie unterschiedlichste Motoren, Kupplungen, Bremsen oder anderen Komponenten wie Kühlung, Pumpen, etc. Vielfach werden ganze Einheiten bestehend aus Getriebe mit Motor, Kupplung und Bremse auf einer Schwinge montiert geliefert.
Die Baureihe umfasst verschiedene Baugrößen mit standardisierten Übersetzungen. Aus der Vielzahl der bei NORD gefertigten Bauteile werden kundenspezifische Getriebe montiert. Dabei sind wir in der Lage, sehr kurzfristig zu reagieren.
Jörg Niermann: Die Industriegetriebe werden ausschließlich hier in Bargteheide am zentralen Standort von Getriebebau NORD gefertigt – in Werk 8 (Bild 5). Der Hauptfokus von diesem Standort liegt zwar auf der Verwaltung, aber die gesamte Montage der Industriegetriebe wie auch der Sonderanfertigungen, z.B. Sonderwellen, wird ebenfalls in Bargteheide abgewickelt. Die Zahnradproduktion findet in Glinde bei Hamburg statt, die Gehäusefertigung in Gadebusch bei Schwerin, Motoren bis zur Baugröße 200 produzieren wir in Italien.
Jörg Niermann: Die Produktionsstandorte befinden sich in erster Linie in Deutschland bzw. in Europa, aber wir produzieren z.B. Motoren auch in Nord- und Südamerika sowie in China für den südostasiatischen Markt. Ansonsten haben wir natürlich weltweit verschiedene nationale Montagestellen. Dorthin werden die Einzelkomponenten geliefert und dann vor Ort lackiert und montiert.
Dr. Omar Sadi: Auch bei Servicefällen in den einzelnen Ländern – wie z.B. bei Lieferungen in die großen Minen in Australien oder Brasilien – erfolgt der Service natürlich direkt in diesen Ländern.
Dr. Omar Sadi: Sowohl als auch. Bei den größeren Vertretungen haben wir eigene Mitarbeiter, die den Service übernehmen. Und teilweise gibt es Vereinbarungen mit lokalen Unternehmen. Um unser hohes Qualitätsniveau sicherzustellen, legen wir großen Wert auf ein dichtes Service-Netz. Dann können wir auch bei größeren Entfernungen zu unseren jeweiligen Standorten, wie z.B. in den USA, in kürzester Zeit reagieren. Service-Partner werden von uns geschult und von Getriebebau NORD zertifiziert.
Dr. Omar Sadi: Auch beim Industriegetriebe verfolgt NORD die Strategie einer schnellen Verfügbarkeit ab Lager. Deshalb können wir je nach Getriebegröße eine Lieferzeit von 4 bis 8 Wochen gewährleisten. Wir haben in diesem Zusammenhang die Vorräte erhöht und die Abläufe auch mit unseren Zulieferern optimiert.
Dr. Omar Sadi: Wir fertigen z.B. die sogenannten Sonderwellen an, wenn ein Kunde eine bestimmte Abmessung benötigt – selbst wenn es sich dabei nur um 1 oder 2 mm handelt. Wir liefern auch Doppelgetriebe, wenn das gewünscht wird. Dabei wird z.B. ein Getriebe aus dem klassischen Programm an ein Industriegetriebe angeflanscht. Dadurch erhält man extreme Übersetzungen, bis 1600 oder noch mehr. Bei den Industriegetrieben mit einer sehr hohen Leistungsdichte muss neben der mechanischen stets auch die thermische Leistung betrachtet werden. Wenn bei einer Antriebsleistung von 500 kW etwa 2 % Verluste sind, dann müssen circa 10 kW an Wärme abgeführt werden. Mit 10 kW kann man ein Einfamilienhaus beheizen. Falls dies nicht alleine über das Getriebegehäuse abgeleitet werden kann, werden entsprechende Lüfter oder Kühlsysteme angebaut.
Jörg Niermann: Jeder Auftrag beinhaltet eine Stückliste, anhand derer zunächst alle benötigten Einzelteile komplett bereit gelegt werden: Gehäuse, Verzahnung, Wellen, Lager, Schrauben, etc. Da wir kurze Lieferzeiten garantieren, sind natürlich größere Komponenten, wie z.B. große Zahnräder (Bild 6), bereits vorgefertigt. Ansonsten gibt es auch Fertigungshinweise, z.B. welches Öl verwendet wird. Aus einer Zeichnung geht klar hervor, wie das jeweilige Getriebe aufzubauen ist. Wenn alle Bauteile verfügbar sind, beginnt die Montage an einer Montageplatte. Die Wellen werden in das Gehäuse gezogen, die Lager aufgesetzt und die Zahnräder montiert.
Anschließend werden die Getriebe im Leerlauf auf unserem Prüfstand etwa 3 Stunden geprüft (Bild 7). Dazu bauen wir das Getriebe genauso auf, wie es beim Kunden eingebaut wird. Wenn die Ölversorgung steht und das Kühlwasser eingefüllt ist, wird alles angeschlossen und zum Laufen gebracht. Über Temperaturfühler überwachen wir während des Prüflaufes permanent die Temperatur. Anhand eines Protokolls können wir dann den Temperaturanstieg im Verlauf sehen und erkennen, ob z.B. das Lager nicht rund läuft. Außerdem wird mit Luftaufschlag geprüft, ob das Getriebe dicht ist oder an irgendeiner Stelle Öl rausdrückt.
Wenn der Funktionstest gut verlaufen ist, geben wir das Getriebe in die Lackierung (Bild 8). Die Standardfarbe ist grau. Unsere Hausfarbe ist blau. Aber in der Regel passen die Farben zu der Anlage des Kunden. Wir können hier jede Farbe anmischen, die der Kunde beauftragt. Nach der Lackierung durchlaufen die Teile die Trocknungsanlagen und werden anschließend verpackt. Standardmäßig auf einer Palette (Bild 9). Aber wenn es sich um einen weiten Transport handelt oder der Kunde das so vorschreibt, werden auch geschlossene Kisten gefertigt.
Jörg Niermann: In Deutschland zählen Siemens-Flender und SEW dazu, weltweit sind es natürlich viel mehr. Wir haben kürzlich eine Marktstudie durchgeführt, derzufolge die 10 größten Wettbewerber global betrachtet etwa 60 % des Marktes besetzen. Die restlichen 40 % teilen sich eine Vielfalt von Unternehmen.
Jörg Niermann: Das hängt aber auch damit zusammen, dass unsere Kunden weltweit über Niederlassungen verfügen – z.B. in Asien oder in Südamerika. Aufgrund solcher Verknüpfungen zu den verschiedenen Tochterunternehmen haben wir die Möglichkeit, auch in anderen Ländern zu arbeiten und in deren Portfolio von Lieferanten aufgenommen zu werden. Auch weil unsere Kunden von der Qualität unserer Produkte überzeugt sind.
Dr. Omar Sadi: Die Bandbreite und Variantenvielfalt, die wir in allen Baugrößen liefern, und die wir nicht zuletzt jetzt auch mit der Produktion der Industriegetriebe nochmals ausgeweitet haben, ist ebenfalls von großem Vorteil. Dadurch können wir dem Kunden komplette Pakete aus einer Hand liefern mit Hunderten von Getrieben in einer Vielzahl von Bauformen und Drehmomenten.
Jörg Niermann: Für unsere Industriegetriebe zählen sicherlich die Förderbandantriebe in den Erzminen vom Marktvolumen her betrachtet zu den größten Anwendungen. Dieser Markt bietet für uns sicherlich noch ein großes Potential. Daher waren wir in diesem Jahr auf zwei großen Messen im Minen- und Mineralsektor vertreten: auf der AIMEX im August in Sydney/Australien und im September auf der Exposibram 2013 in Belo Horizonte/Brasilien.
Ansonsten haben so um die 70 Messen weltweit pro Jahr. In Deutschland sind die wichtigsten Messen u.a. die Logimat, die Hannover Messe, Airport und die SPS Drives (Bild 10). Bei der bauma sind wir noch auf der Warteliste.
Jörg Niermann: Die Effizienz liegt natürlich im Motor. Die Effizienz der Getriebe an sich wird durch Qualität der Lager und eben auch der Ausrichtung und Genauigkeit der Zahnräder bestimmt. Aber die Haupteffizienz wird durch den Motor und durch das Gesamtkonzept bestimmt.
Dr. Omar Sadi: Die Energieeffizienz hat bei NORD einen sehr hohen Stellenwert bei der Produktentwicklung. Unsere Getriebe optimieren wir dahingehend, dass möglichst wenig Verluste innerhalb der Getriebe entstehen. Diese treten z.B. in der Kontaktzone der Zahnräder oder in den Wälzlagern auf. Dem entgegnen wir, indem wir qualitativ höchstwertige Komponenten fertigen und jeweils das passende Öl mit der optimalen Viskosität für die jeweilige Anwendung verwenden.
Dr. Omar Sadi: Wir haben eine eigene zentrale Entwicklungsabteilung mit einem angegliederten Versuchslabor. Vom ersten Konzept bis zum fertigen Getriebe steuern wir zentral alle Entwicklungsschritte – unabhängig davon, wo diese Produkte später weltweit verkauft werden. Dadurch stellen wir unseren Qualitätsstandard sicher, sowohl bei der mechanischen wie auch bei der elektrischen und elektronischen Konzeption und Fertigung unserer Produkte. Forschung und Entwicklung findet ausschließlich hier am Hauptstandort statt.
Jörg Niermann: Wir haben grundsätzlich mit Hochschulen viele gemeinsame Projekte, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wir nennen das Modellfabrik (Bild 11). Die Studenten haben die Aufgabe, eine optimierte Produktion unserer Getriebe zu organisieren und durchzuführen. Die Passung bei den Getrieben ist ein wenig größer, damit man die Einzelkomponenten schnell wieder auseinander bauen kann, aber ansonsten ist das eine reelle Arbeitssituation. D.h. die Studenten lernen in einem realistischen Umfeld moderne Methoden der Analyse, Bewertung, Produktivitätssteigerung und -sicherung von Fertigungsprozessen. Mit dieser Modellfabrik können wir auch Mitarbeiterschulungen durchführen.
Das findet nicht nur in Deutschland an der TU Hamburg-Harburg statt, sondern wir führen z.B. auch an verschiedenen Universitäten in Indien gemeinsame Projekte durch.
Dr. Omar Sadi: Um dem zu begegnen, sind wir z.B. in der dualen Ausbildung aktiv und haben darüber schon eine Vielzahl von neuen Mitarbeitern rekrutiert. Die Ausbildung läuft dabei zur Hälfte in unserem Unternehmen, zur anderen Hälfte an der Universität. Wir lernen die Studenten kennen, die sich ihrerseits ein Bild von unserem Unternehmen machen können. In der Regel werden die Absolventen am Ende ihrer Ausbildung übernommen und entsprechend ihrer Fähigkeiten bei NORD eingesetzt. Es bietet sich auch die Möglichkeit, internationale Erfahrungen in einer unserer Niederlassungen zu sammeln.