Versuche an einem Freifallsortierer

Sensorbasierte Sortierung mineralischer Abfälle und Rohstoffe

Zusammenfassung: Knappe natürliche Ressourcen rücken die Transformation von Bau- und Abbruchabfällen in Sekundärrohstoffe und neue Produkte in den Branchenfokus. Sensorgestützte Sortierverfahren sind prädestiniert für die erforderliche Identifizierung definierter Störstoffpartikel auf dem Weg zu sortenreinen Stoffströmen. Im Beitrag wird über die Sortierergebnisse mit einem Freifallsortierer, der mit beidseitig zum Materialstrom angeordneter Nahinfrarot-Sensorik und Farberkennung ausgerüstet ist, berichtet.

1‌ Sortiertechnik in der Kreislaufwirtschaft

Einhergehend mit der rasanten Entwicklung der Computertechnik und den beachtlichen Fortschritten im Bereich der Sensorik ist seit Mitte der 1980er Jahre die Entwicklung von sensorgestützten Sortierverfahren zu beobachten. In der Abfallaufbereitung begann die Einführung sensorgestützter Verfahren bei der Sortierung von Altglas mit sogenannten Rinnenmaschinen. Seitdem wurde die Leistungsfähigkeit der Maschinen und Anlagen kontinuierlich ausgebaut. Gegenwärtig reichen die eingesetzten Detektoren von der visuellen Spektroskopie bis zur Röntgenfluoreszenzspektroskopie. Auch der Partikelgrößenbereich, in dem sensorbasierte Verfahren Anwendung finden, entwickelt sich stetig weiter. Die untere Grenze liegt gegenwärtig bei 1 mm für die Aussortierung von Keramik, Porzellan und Steinen aus Altglas [1; 2]. Aber auch für die optische Sortierung großer, schwerer Bruchstücke mit Massen von bis zu 2 kg gibt es Beispiele [3].

In der Kreislaufwirtschaft ist die sensorgestützte Sortierung heute unentbehrlich – z. B. zur Rückgewinnung von Sekundärrohstoffen aus gemischten Kunststofffraktionen oder zur Abtrennung von rezyklierbaren Fraktionen aus Altpapiergemischen. Sie bildet die Grundlage für die Realisierung von Stoffkreisläufen. Dagegen ist sie bei der Bauabfallaufbereitung noch sehr selten anzutreffen, obwohl sie als einziges Verfahren die Möglichkeit bietet, verschiedene mineralische Baustoffarten voneinander zu trennen.

Als ein Akteur im Bereich der sensorbasierten Sortierung hat die OptoSort GmbH den Freifallsortierer „Apollo“ entwickelt. Dessen Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Sortierung von Bauabfällen wurde von der IAB Weimar gGmbH in vielfältigen Sortier- und Trennversuchen analysiert. Die hier vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Detektierung der Bestand­teile von Bauschuttgemischen mit Hilfe der Nahinfrarot(NIR)-Technik und die darauf aufbauende Trennung der Gemische. Die Farbsortierung als weitere mit dem „Apollo“ zu realisierende Option bzw. die Kombination beider Erkennungsmöglichkeiten wird gegenwärtig erprobt und in einem späteren Beitrag behandelt.

2 Merkmale des Sortierers

Der Freifallsortierer „Apollo“ (Bild 1) stellt in Anlehnung an die von Pretz und Julius [4] eingeführte Einteilung eine „Rinnenmaschine“ dar. Eine Schwingförderrinne dient zunächst der Vereinzelung und gleichmäßigen Verteilung des aufgegebenen Rezyklates über die gesamte Arbeitsbreite des Sortierers von 600 mm. Von dort gelangt es auf eine geneigte Rinne, wo es weiter beschleunigt und vereinzelt wird. Im freien Fall unterhalb dieser Rinne erfolgt die Inspektion des Sortiergutes, wobei Farberkennung und hyperspektrale NIR-Technologie miteinander gekoppelt werden können. Dabei erfassen beidseitig zum Stoffstrom angeordnete Sensoren jeweils zwei gegenüberliegende Partikelflächen. Diese Anordnung ist für die Sortierung von Bauabfällen unentbehrlich und trägt der Tatsache Rechnung, dass grobe Bauschuttpartikel aus mehreren Komponenten bestehen können. So haften beispielsweise oftmals Mörtel- oder Putzreste an Wandbaustoffen, die bei einseitiger Detektion nicht zu erkennen sind.

Die technische Anordnung der einzelnen Maschinengruppen im Recycling-Technikum der IAB Weimar gGmbH beginnt mit der Aufgabe des zu sortierenden Gemisches in der Ebene „Materialaufgabe“ (Bild 2). Von dort gelangt das Material über die Vibrorinne in die Ebene „Sortiermaschine“. Die Identifizierung erfolgt am freifallenden Stoffstrom, wobei Farberkennung und hyperspektrale Nahinfrarot (NIR)-Technologie einzeln agieren oder miteinander gekoppelt sind. Beidseitig zum Stoffstrom angeordnete Sensoren erfassen jeweils zwei gegenüberliegende Partikelflächen. In Abhängigkeit vom Ergebnis der Bemusterung werden die Partikel in der Ebene „Materialaustrag“ entweder mittels Druckluft als „Reject“ ausgetragen oder verlassen den Sortierer im freien Fall als „Accept“. Um den Druckluftverbrauch zu minimieren, wird in der Regel der Stoff, der in geringeren Anteilen im Aufgabegemisch vorliegt, „ausgeblasen“.

Der Sortierer ist für Partikelgrößen von 8 mm bis 75 mm mit einem maximalen Korngrößenverhältnis 1 : 4 geeignet. Beispielsweise können Fraktionen 8/32 mm oder 16/64 mm sortiert werden.

3 Ergebnisse ausgewählter Sortierversuche

Bei der Bauschuttaufbereitung müssen unterschiedliche Sortieraufgaben gelöst werden. Zum einen kann es erforderlich sein, einen Störstoff aus einem Bauschuttgemisch auszusortieren, um das Gemisch für bestimmte Anwendungen brauchbar zu machen. Häufig auftretende mineralische Störstoffe sind Gips oder leichte Baustoffe wie Poren- oder Leichtbeton. Als nichtmineralischer Störstoff kann Holz auftreten, das mit konventionellen trockenen Sortiertechniken in der Regel nicht vollständig entfernt werden kann.

Zum anderen ist die Wertstoffgewinnung aus Bauabfällen ebenfalls gefragt. Beispielsweise ist die Gewinnung von sortenreinen Ziegelkörnungen aus Bauschutt von großem Interesse, weil diese in der Vegetationstechnik eingesetzt werden können. Für rezyklierte Gesteinskörnungen, die bei der Herstellung von R-Betonen eine wichtige Rolle spielen, ist eine definierte Zusammensetzung einzuhalten. Mit Hilfe der sensorbasierten Sortierung wird die Zusammensetzung gezielt verändert, um die gestellten Anforderungen zu erfüllen.

Bei der Gewinnung von Rohstoffen für die Baustoffherstellung wird deren Abbau in der Regel so gesteuert, dass anforderungsgerechte Ausgangsmaterialien erzeugt werden. Wo sich Rohstoffverknappungen wie in der Gipsindustrie abzeichnen, kann die Sortierung helfen, die Zusammensetzung bisher unbrauchbarer Rohstoffe gezielt zu steuern und für die anschließende Baustoffherstellung brauchbar zu machen.

3.1 Abtrennung von Gips aus einem Bauschuttgemisch

Ausgangsmaterial war ein Bauschuttgemisch aus Ziegel, Beton und Gips, das in der Fraktion 22,4/63 mm vorlag. Der Gipsgehalt, der 4,9 M.-% betrug, hätte nicht nur eine Verwertung unmöglich gemacht, sondern auch die Deponierung erschwert. Im Vorfeld der Sortieraufgabe wurden die NIR-Spektren der zu trennenden Baustoffe aufgenommen (Bild 3) und das Sortier­programm auf diese Materialien „angelernt“. Dem so vorbereiteten Sortierer wurden anschließend ca. 60 kg Gemisch zur Trennung zugeführt. Der nach dem Sortierdurchlauf im Produkt verbleibende Gipsgehalt wurde durch eine händische Sortieranalyse nach Augenschein ermittelt. Das Ergebnis der Sortierung – im Bild 4 als Bilanz dargestellt – zeigt, dass der Gipsgehalt deutlich gesenkt werden konnte. Mit den verbleibenden 0,4 M.-% Gips des akzeptierten, im freien Fall ausgetragenen Produktes, wäre eine Verwertung in ungebundenen Tragschichten im Straßenbau möglich.

3.2 Trennung eines Ziegel-Beton-Gemisches

Ausgangsmaterial war ein Bauschuttgemisch aus Ziegel und Beton. In diesem Fall bildete der Beton den Störstoff, der mittels NIR-Sensorik erkannt und dann per Druckluft ausgetragen werden sollte. Das Aufgabegemisch lag als Fraktion 22,4/63 mm vor, was einem Korngrößenverhältnis von etwa 1 : 3 entspricht. Als Erkennungsmerkmal wurden erneut die NIR-Spektren (vgl. Bild 3) verwendet.

Der Ziegelanteil in der Ausgangsmischung betrug 81,7 M.-%. Der Anteil an Beton belief sich auf 18,3 M.-%. Durch die Sortierung konnte der Ziegelanteil auf 97,6 M.-% erhöht werden. 2,4 M.-% Beton blieben als „Beifang“ im Produkt zurück (Bild 5). Somit konnte der Ziegelgehalt gegenüber dem Ausgangsmaterial deutlich erhöht werden. Damit wäre eine Verwendung des gewonnen Sortiergutes als Material für die Begrünung von Dächern möglich.

3.3 Herstellung einer anforderungsgerechten rezyklierten Gesteinskörnung

Bei dem vorliegenden Material handelte es sich um ein Bauschuttgemisch aus einem Tunnelabbruch, das neben Beton als Hauptbestandteil auch Ziegel, Schlacke, Gips und Holz enthielt. Die Sortieraufgabe bestand darin, einen Betonsplitt zu erzeugen, der hinsichtlich seiner Zusammensetzung den Anforderungen an rezyklierte Gesteinskörnungen Typ 1 nach DIN 4226-101 (Tabelle 1, Bild 6) genügt. Daher sind in diesem Fall alle Bestandteile Störstoffe, die nicht Beton, Mörtel oder Naturstein darstellen.

In der Anlernphase wurden dem Gemisch zunächst Vertreter der verschiedenen Bestandteile entnommen und deren NIR- Spektren ermittelt (Bild 7). Darauf aufbauend erfolgte die Konfiguration des Sortierers. Ziegel, Schlacke, Gips und Holz sollten als Störstoffe erkannt und mittels Druckluftimpuls ausgetragen werden. Die rezyklierte Gesteinskörnung stellt das akzeptierte Material dar.

In der Ausgangsmischung entsprachen die Gehalte der Stoffgruppen Rc und Ru sowie Rb bereits den Anforderungen. Mit Hilfe der Sortierung wurden die Schlacke- und Holzge­halte deutlich reduziert, so dass nach der Sortierung eine anforderungsgerechte rezyklierte Gesteinskörnung vorlag (Tabelle 2, Bild 8).

3.4 Trennung eines Gips-Anhydrit-Gemisches

Die Trennung von Gemischen aus Gips und Anhydrit eröffnet vor dem Hintergrund der Verknappung der Gipsrohstoffe eine realistische Perspektive, die Rohstoffverfügbarkeit für die Gipsbranche zumindest zu verlängern. Sie basiert auf den deutlichen Unterschieden der NIR-Spektren beider Minerale (Bild 9).

Die Versuche mit dem Freifallsortierer wurden an der Fraktion 16/45 mm durchgeführt, die zu 62,6 M.-% aus Anhydrit und zu 37,6 M.-% aus Dihydrat bestand. Mit Hilfe der Sortierung konnte der Anhydritgehalt im Druckluftaustrag auf 98,0 M.-% erhöht werden. Der Gips ging in den Freifallaustrag über, der 88,2 M.-% Dihydrat enthielt (Bild 10). Mit den erzielten Anhydritgehalten werden die qualitativen Anforderungen an die werksinterne Aufbereitung von Haldenmaterial erfüllt.

4 Zusammenfassung

Im vorliegenden Beitrag wird über Sortierversuche an mineralischem Bauschutt mit dem Freifallsortierer „Apollo“ berichtet. Dessen Besonderheit sind die jeweils beidseitig zum Materialstrom angeordneten Sensorpaare, mit denen die gegen­überliegenden Partikelflächen erfasst und damit auch Anhaftungen oder Beschichtungen erkannt werden können. Die Identifizierung erfolgt mittels Farberkennung und/oder anhand von NIR-Spektren wie im vorliegenden Fall. Dazu werden die Spektren zunächst von phänotypischen Vertretern der Bestandteile aufgenommen und das Sortierprogramm auf diese Materialien „angelernt“.

Gegenstand der durchgeführten Sortierversuche waren die

Abtrennung von Gips aus einem Bauschuttgemisch

Trennung eines Ziegel-Beton-Gemisches

Herstellung einer anforderungsgerechten rezyklierten
Gesteinskörnung

Trennung eines Gips-Anhydrit-Gemisches

In allen Fällen konnten durch die Sortierung Qualitätsverbesserungen erreicht werden, die eine „artgerechte“ Verwertung möglich machen.

Literatur • Literature

[1] Bayer, W.: Altglasaufbereitung: Farbsortierung und vollautoma­tische Qualitatskontrolle in Theorie und Praxis. Glastechnische Berichte. Glass Sci. Technol. Vol. 69, 1996, Nr. 1, S. N1-N.7

[2] Dornauer, R.; Pramer, J.; Huber, R.: Möglichkeiten und An­wen­dungen neuester VIS/NIR-Sortierer in der Aufbereitung von Sekundär­rohstoffen. www.vivis.de/phocadownload/Download/2016_RuR_611-620_Dornauer.pdf vom 06.04.2017

[3] Coppers, M.; Duddek, K.: Optische Sortierung großer und schwerer Teile. Gesteinsperspektiven. Heft 7, 2008, S. 46-49

[4] Pretz, T.; Julius, J.: Stand der Technik und Entwicklung bei der berührungslosen Sortierung von Abfällen. Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft. Heft 07-08/2008, S. 105-112

[5] DIN 4226-101: Rezyklierte Gesteinskörnungen für Beton nach DIN EN 12 620 – Teil 101: Typen und geregelte gefährliche Substanzen. DIN Deutsches Institut für Normung. Beuth-Verlag. Berlin 2017

Autor:

Dipl.-Ing. (FH) Sebastian Müller, IAB – Institut für Angewandte Bauforschung Weimar gGmbH, Weimar/Deutschland

Nach seiner Berufsausbildung zum Industriemechaniker (1999) absolvierte Sebastian Müller von 1999 bis 2009 ein Studium der Umwelttechnik, Fachrichtung Recycling, an der FH Jena. Von 2008 bis 2009 arbeitete er als Diplomand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Im Anschluss war Sebastian Müller für das Umweltamt der Stadt Bamberg als Umweltingenieur (2010) und von 2011 bis 2019 als Umwelt- und Projektingenieur bei der Ferchau GmbH bzw. der Luft- und Thermotechnik Bayreuth GmbH tätig. Seit Oktober 2019 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter der IAB Weimar gGmbH mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Baustoffrecycling.

 

Weitere Autoren:

Prof. Dr.-Ing. habil. Anette Müller, Dipl.-Ing. Ines Döring, Dr.-Ing. Ulrich Palzer

IAB – Institut für Angewandte Bauforschung Weimar gGmbH, Weimar/Deutschland

www.iab-weimar.de

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