Gelungen: zweite Auflage der Werkstoffwoche in Dresden

Nach der Premiere der gleichnamigen Veranstaltung im Jahr 2015 waren sich die Organisatoren einig: eine Wiederholung dürfte ebenso erfolgreich werden. Und so arrangierte die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V. Frankfurt/Main (DGM) gemeinsam mit dem Stahlinstitut VDEh Düsseldorf vom 27. – 29. September 2017 in Dresden erneut die Werkstoffwoche als Branchentreff für Forscher, Entwickler und Anwender auf den Gebieten additiv-generative Fertigung, Leichtbau, Funktionsmaterialien und Konstruktionswerkstoffe. Kombiniert wurde diese mit der Fachmesse „Werkstoffe für die Zukunft“, in der wiederum zahlreiche Aussteller ihre Produkte und Dienstleistungen anboten. Über 1800 Besucher konnten die Veranstalter registrieren und damit einen deutlichen Zuwachs gegenüber 2015 verzeichnen. Bemerkenswert ist auch die Orientierung gen Ost: diesjähriges Partnerland war Singapur.

Nach den Grußworten des Dresdner Oberbürgermeisters, Dirk Hilbert und des sächsischen Staatssekretärs für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Dr. Hartmut Mangold hielt Dr.-Ing. Matthias Maurer, European Space Agency (ESA), Astronaut und Materialwissenschaftler einen brillanten Eröffnungsvortrag zur „Materialforschung auf der ISS und die Zukunft der bemannten Raumfahrt“, der einen besonderen Höhepunkt darstellte.

Die Werkstoffwoche wartete auch in diesem Jahr mit einem breitgefächerten Programm auf. Neben dem Besuch der Fachmesse, die vor allem für Anwender von Werkstoffen sowie für Hersteller von Maschinen, Anlagen und Prüfeinrichtungen interessant gewesen sein dürfte, vermittelten auch die über 200 Vorträge, die zahlreichen Symposien, Workshops und Seminare die neusten Trends und Anwendungen der Werkstoffwissenschaften. Schwerpunkte bildeten die Themen „Additive Fertigung“ mit Laser oder 3D-Druck – ein Verfahren, das bereits 2015 vorgestellt wurde und nunmehr bereits Einzug in die Serienproduktion gehalten hat sowie „Leichtbau und Konstruktionswerkstoffe“.  Weitere Themengruppen mit hoher Anwendungsrelevanz waren u. a. Funktionswerkstoffe, Pulvermetallurgie und Sinterwerkstoffe, Hochleistungskeramik sowie Simulation und Modellierung.

Allein die 8 Plenarvorträge mit hochaktuellen Themen wie beispielsweise „Industrie 4.0 und dessen Potenziale in der Werkstoffindustrie“ (Prof. Dr. Harald Peters, VDEh-Betriebsforschungs GmbH, Düsseldorf) oder „Potenziale und besondere Eigenschaften hochfester Aluminiumlegierungen und Q-P-Stähle“ (Prof. Dr.-Ing. Martin Franz-Xaver Wagner, TU Chemnitz) zeugen von der Vielseitigkeit des Programms.

„Wir müssen mehr Mut zu neuen Ideen haben und stärker in diese investieren. Den Vorsprung, den sich der Industriestandort Deutschland im Laufe der vergangenen Jahrzehnte erarbeitet hat, muss behalten und darf nicht an die aufstrebenden Länder in Asien abgetreten werden.“, sagte Dr.-Ing. Frank O. R. Fischer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied  der DGM schon im Vorfeld der Werkstoffwoche. Der Slogan „Zukunft wird aus Werkstoffen gemacht“ drückt umfassend die Bedeutung der Werkstoffwissenschaften und -anwendung aus. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und beschränken sich nicht etwa auf Mobilität und Medizin, sondern gerade im Maschinen- und Anlagenbau sind dadurch entscheidende und weitreichende Entwicklungen möglich.

Zukunftsmaterialien für die Industrie

Anlässlich der Werkstoffwoche hatte die Landeshauptstadt Dresden gemeinsam mit der DGM zu einer Journalisten-Reise unter dem Motto: „Zukunftsmaterialien für die Industrie: Potenziale und Anwendungen neuer Werkstoffe und Fertigungsverfahren“ am 27.09.2017 eingeladen. Im Fokus dieser Veranstaltung, die von der Stadt Dresden Markteting GmbH und der Agentur WeichertMehner, Dresden hervorragend organisiert war, standen die bereits o. g. Schwerpunktthemen. So konnten sich die Vertreter der meist technisch orientierter Verlage und Medien einen ausgezeichneten Überblick über das in Dresden vorhandene Potenzial auf dem Werkstoffsektor und die Anwendung und Einsatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Industrien, darunter auch der Maschinen- und Anlagenbau, verschaffen.

Erste Anlaufstation war der Leichtbaucampus der TU Dresden, speziell das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik, das größte Institut im multimodalen Leichtbau in Europa. Institutsdirektor Prof. Hubert Jäger sprach viel über Visionen, die für Innovation unerlässlich sind und erläuterte anhand vieler Beispiele, dass Leichtbau eine Zukunftstechnologie ist, die mit der Mikroelektronik hinsichtlich ihrer Wichtigkeit vergleichbar ist. „Leichtbau bedeutet Einsparung von Masse und damit gleichermaßen von Energie, wobei die Hybridtechnik die erste Stelle einnimmt.“ Prof. Jäger stellte den Vorsprung Sachsens und Deutschlands im hybriden Leichtbau heraus, beklagte aber die schlechte Entwicklungspolitik in Deutschland, die dazu führen würde, dass wir bei Fortführung des Gießkannenprinzips und der viel zu lange dauernden Umsetzung anwendungsreifer Ergebnisse von China und Korea überholt werden würden. „Singapur entwickelt Wissen, Korea betreibt die Umsetzung und China praktiziert die Massenproduktion!“  Nichtsdestotrotz bemüht sich das Institut erfolgreich um Internationalisierung, zumal es dort für Projekte 100 % Förderung gibt. Wichtiges Thema sind Firmenausgründungen so z. B. das Start up SCABA, eines der leichtesten Batteriesysteme weltweit. Durch sog. Zellenverbinder (Kunststoff/ Bleche) sind sowohl sehr große Batterieblöcke als auch die unterschiedlichsten Formen herstellbar. Sie werden bereits von asiatischen Ländern gekauft. Vorteilhaft ist auch ihre sehr leichte Recyclingfähigkeit, da sie sich einfach in die einzelnen Zellen zerlegen lassen. Diese werden durch neue Zellen ersetzt und die alten entweder für Anwendungen mit niedrigerem Strombedarf eingesetzt oder in bewährter Weise recycelt. Zahlreiche weitere Beispiele zeigten die ganze Spannbreite der wissenschaftlichen und oft schon zur Anwendungsreife entwickelten Verfahren des Institutes.

Weitere Stationen waren das Fraunhofer-Forschungszentrum mit den Instituten IWS, IKTS, IFAM und IWU/AGENT-3D und die EAST-4D Carbon Technology GmbH. Die Forschung der Fraunhofer Institute ist auf verschiedene Anwenderindustrien ausgerichtet, u. a. Energie- und Kraftwerkstechnik, Maschinen und Anlagenbau, additive Fertigung, Optokeramik oder Produktionsüberwachung. Die EAST-4D Carbon Technology GmbH, ein mittelständisches Unternehmen präsentiert mit der Entwicklung und Produktion von faserverstärkten (CFK, GFK) Leichtbauprodukten kreative, kostengünstige Lösungen vor allem für den Bereich der Mobilitätsindustrie.

Pressekonferenz

Vor etwa 20 Journalisten zeigt Dr.-Ing. O. R. Fischer zunächst die aktuellen Themen, Trends und Perspektiven der Werkstoffforschung auf. „Wir müssen die Bedeutung der Werkstoffe viel stärker in das Bewusstsein der Bürger bringen, denn Werkstoffe sind für unseren Lebensstandard außerordentlich wichtig. Immerhin beruhen mehr als 70 % des Bruttosozialproduktes auf neuen Werkstoffentwicklungen. Und dazu gehören vor allem auch solche Werkstoffe wie sie in Dresden entwickelt und produziert werden“, so sein Credo an die Gäste.

Zuvor hatte Oberbürgermeister von Dresden, Dirk Hilbert, als Wirtschafts- und High-Tec-Standort mit hoher Lösungskompetenz im Bereich neue Werkstoffe und Materialforschung herausgestellt und auf die wirtschaftliche Bedeutung der Exzellenzuniversität TU Dresden verwiesen. Er bezeichnete Dresden als einen Standort mit Bündelung der innovativen Werkstoffforschung. In den nächsten Jahren wollen die Unternehmen hier rd. 5 Mrd. € investieren.

Dr.-Ing. Peter Dahlmann, Geschäftsführender Vorstand des VDEh, lobte das Konzept der Werkstoffwoche, nämlich Entwickler, Produzenten und Anwender zusammenzuführen, um Innovationen im Werkstoffbereich voranzutreiben. Trotzdem wird Stahl seine Bedeutung behalten, und auch in diesem Bereich sind Innovationen möglich. Dr. Dahlmann nannte drei Schwerpunkte der Forschungs-Agenda „Stahl“:

Entwicklung neuer Technologien zur CO2-Reduzierung und -Nutzung (Reduktion der Eisenerze durch Wasserstoff)

Produktion in Wertschöpfungsketten (Industrie 4.0)

Werkstoffentwicklung: Hoch- und höchstfeste Stähle für Leichtbauanwendungen mit hoher Multirecyclingfähigkeit.

Prof. Dr. Christoph Leyens, Institutsleiter Fraunhofer IWS und Clusterkoordinator AGENT-3D zeigte die Möglichkeiten der additiven Fertigung mit einem großem Potenzial für die Fertigung von Bauteilen in Serie auf. Das verdeutlichte er beispielsweise am AMCD (Zentrum für Additive Fertigung Dresden), das eins der größten europäischen Zentren für die additive Fertigung ist und nicht nur Anwendungen für die Raumfahrt entwickelt, sondern auch für  den Maschinen-  und Werkzeugbau, die Luftfahrt sowie die Energie- und Medizintechnik. Ein weiteres Beispiel ist das Clustervorhaben AGENT-3D im Rahmen des Forschungsvorhabens 2020. Inzwischen haben sich 120 Unternehmen mit dem Ziel der Serienproduktion zusammengeschlossen. Dafür stehen 90 Mio. € zur Verfügung, die zu jeweils 50 % aus der Industrie und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung kommen.

Auch Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. e. h. Manfred Curbach, Vorstandsvorsitzender C³-Carbon Concrete Composite e. V.  und Direktor des Institutes für Massivbau, TU Dresden konnte über einen innovativen Werkstoff berichten: den Verbundwerkstoff Carbonbeton. Dieser stellt eine Alternative zu Stahlbeton für viele Anwendungen mit großen Vorteilen dar: Masseeinsparung bis 50 %, es werden 80 % weniger Ressourcen gebraucht und 80 % weniger CO2-Emissionen erzeugt (immerhin fallen auf die Zementindustrie 6,5 % des globalen CO2-Ausstoßes und das Sandvorkommen wird in manchen Regionen heute schon außerordentlich knapp). Um dem neuen Werkstoff zum Durchbruch zu verhelfen, wird derzeit eine neue Richtlinie für Carbonbeton erarbeitet. Es bleibt zu erwähnen, dass Prof. Curbach als Kopf des Teams in diesem Jahr den Zukunftspreis des Bundespräsidenten erhielt.

Prof. Dr. rer. nat. Brigitte Voit, Vorstandsvorsitzende Materialforschungsverbund Dresden e. V. erläuterte Aufgaben und Ziele des Vereins, der seit 1993 besteht. 20 Institute der TU Dresden und außeruniversitärer Forschungsinstitute bündeln darin ihre Kompetenzen. Dadurch gelingt es, Verbundprojekte wesentlich einfacher zu kreieren und international bekannt zu machen. Es besteht eine große Bandbreite von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis hin zu Produktion.

Dipl.-Ing. Raimund Grothaus, Geschäftsführer der EAST-4D Carbon Technology GmbH, äußerte sich sehr kritisch. Er brachte in seinem  Statement die Befürchtung zum Ausdruck, dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit verliert und heute schon die Wettbewerber selbst der KMU in Asien, vornehmlich China und Indien angesiedelt sind.  „Wir entwickeln zwar tolle Materialien, aber vergessen oft die Wirtschaftlichkeit und Vermarktung. 70 % der Forschungsergebnisse erweisen sich als Flopp, da die Wirtschaftlichkeit fehlt. Oft sind wir keine Innovationstreiber mehr wie beispielsweise bei Schienenfahrzeugen“.

Dr.-Ing. Matthias Mauer sieht große Potenziale für die additive Fertigung in der Raumfahrt. Zwar sei die Ariane- V-Rakete schon eine sehr gute Entwicklung, aber man könnte mit den USA preislich nicht mehr Schritt halten. Durch additive Fertigung dürfte die Ariane-VI-Rakete günstiger herstellbar sein. Dr. Maurers Vision ist eine Fertigung im Weltraum durch 3D-Druck, damit weniger Masse beim Start gebraucht wird.

Trotz der zweistelligen Wachstumsraten im 3D-Druck und ein geschätztes Finanzvolumen von 80 Mrd. US$ dürfte aber – so Prof. Leyens – die additive Fertigung niemals die klassischen Fertigungsverfahren wie Schmieden, Gießen usw. ersetzen, aber immer eine Nischenproduktion für komplizierte Bauteile ermöglichen. Es bleibt noch viel zu tun, beispielsweise die Einbindung von Funktionsteilen (Sensorik) in das neue Fertigungsverfahren oder ohne die heute noch notwendige Nachbearbeitung auszukommen. Es wird immer eine Kombination verschiedener Verfahren geben. Und er schloss seine Ausführungen mit dem Slogan bei AGENT-3D: „Wir werden eine neue Welt drucken!“

Den Abschluss der Journalistenreise bildete der Besuch der Werkstoffwoche und der Fachmesse „Werkstoffe für die Zukunft“, bei dem verschiedene Messestände besucht wurden. Über 70 Firmen und Einrichtungen zeigten ihre beeindruckenden Produkte und Forschungsergebnisse. Dabei waren so renommierte Firmen wie  Carl Zeiss GmbH, Siemens und Nikon, aber auch mehrere große Autohersteller (VW, Mercedes Benz) und namhafte Fraunhofer Institute und Helmholtz-Zentren vertreten.

Sowohl  der Besuch der Werkstoffwoche mit der Fachmesse als auch die Pressekonferenz mit führenden Vertretern der Branche vermittelten eine Fülle von Informationen. Dafür und für die ausgezeichnete Organisation der Journalistenreise einschließlich der Veranstaltung am Vorabend möchten wir der Stadt Dresden und der Dresden Marketing GmbH sowie  Agentur WeichertMehner, Dresden unseren Dank auszusprechen.

Die nächste Werkstoffwoche ist vom 18. bis 20. September 2019 in Dresden geplant.↓

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