Dynamisches Forschungsgebiet
Knapp 70 Fachleute aus Industrie, Wissenschaft und Forschung waren am 17. und 18. Oktober 2013 der Einladung von Prof. Dr.-Ing. Sylvia Schade-Dannewitz und ihrem Team vom Studiengang Umwelt- und Recyclingtechnik der FH Nordhausen zum 6. Nordhäuser Sekundärrohstoff-Workshop gefolgt, um sich über die neuesten Entwicklungen und Fragestellungen aus Forschung und Laborpraxis im Bereich der Aufbereitung von Sekundärrohstoffen zu informieren und auszutauschen (Bild 1).
Der Thüringer Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz Jürgen Reinholz (Bild 2), gleichzeitig Schirmherr der Veranstaltung, eröffnete die Vortragsreihe mit einem Beitrag zum „Recycling als wichtiger Baustein zu mehr Ressourceneffizienz: Eine Chance für Thüringen“. Am Beispiel von mineralischen Abfällen, Elektro- und Elektronikschrott, Kunststoffabfällen sowie Phosphor als Bestandteil von Abwasser und Klärschlamm verwies er auf die ökologischen und ökonomischen Chancen, die diese vier spezifischen Abfallströme als potenzielle Rohstoffe bergen. Die „Entwicklung auf den Rohstoffmärkten“ für mineralische Rohstoffe mit Blick auf Preisentwicklung, Nachfrage und Angebot sowie Nutzungspotenzial von Sekundärrohstoffen und Recycling war Thema des Vortrags von Dr. Martin Schmitz (Bild 3) von der Deutschen Rohstoffagentur, Berlin.
Bevor man zum gemütlichen Teil der Abendveranstaltung überging, berichtete Prof. Dr.-Ing. Sylvia Schade-Dannewitz (Bild 4) über ihr aktuellstes Forschungsprojekt „Recycling 2.0 – die Wertstoffwende“ mit dem Kernthema „Ressourceneffizientes Recycling“. Mit diesem Projekt hatte sich die Fachhochschule unter der Federführung von Prof. Sylvia Schade-Dannewitz neben 18 weiteren Partnern aus Industrie und Wissenschaft in einem gemeinsamen Konsortium im Rahmen des Förderprogrammes „Zwanzig 20 – Partnerschaft für Innovationen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) um eine Forschungsförderung beworben, die in der Höhe von 1 Mio. € für eine Laufzeit von 3 Jahren bewilligt wurde. Das Forschungsinteresse dieses Projektes, in dem interdisziplinär herausragende wissenschaftliche, technologische und unternehmerische Kompetenzen verknüpft werden, liegt dabei auf der Entwicklung von Technologien und Konzepten für die Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus Abfallströmen zum Wiedereinsatz in der Industrie. Ziel ist es, mit den zu entwickelnden Lösungen bereits mittelfristig Wertschöpfung zu generieren und so langfristig zu einer nachhaltigen Industriegesellschaft beitragen zu können. Kernstück des Projektes ist daher eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wertstoffwende. Zur Verwirklichung der Wertstoffwende muss die Recyclingphase mit den anderen Lebenszyklusphasen vernetzt und ein neues Verständnis für Müll als Rohstoff entwickelt werden. Entscheidend ist dabei die maximale Rückgewinnung von Wertstoffen aus Stoffströmen, bei denen derzeit nicht effizient recycelt wird.
Der zweite Tag des Workshops stand vormittags zunächst im Zeichen von Sekundärbrennstoffthemen – insbesondere der Probenahme bis zur Analytik. Dr. Michael Winterstein (Bild 5), Wessling Laboratorium GmbH & Co. KG, gab einen „Kleinen Exkurs in die Theorie der Probenahme“, deren Herausforderung darin besteht, die Untersuchung der Grundgesamtheit des vorliegenden Materials zu gewährleisten und mit einem repräsentativen Ergebnis abzuschließen.
Dr. Christoph Wünsch (Bild 6), TU Dresden, lieferte anschließend mit seinem Projektbericht zur „Bestimmung von Wassergehalten unterschiedlicher Abfallfraktionen mittels NIR-Technik“ die Grundlage zu einer lebhaften Diskussion über die instrumentellen Möglichkeiten der NIR-Online-Analysentechnik. Anhand von Versuchen mit einer charakteristischen Mischprobe, die dem typischen Ersatzbrennstoff einer biologisch-mechanischen Anlage (BMA) entspricht, wurde ein mathematisches Modell zur Erstellung einer Kalibrierkurve für die Ersatzbrennstoffmischung entwickelt – und zwar in Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Ersatzbrennstoffes sowie mit Hilfe von vorab erstellten fraktionsspezifischen Kalibrierkurven. Im Vergleich zur konventionellen Laboranalyse zeigte sich, dass sich der Wassergehalt der Stoffströme mit Hilfe der NIR-Online-Analyse kurzfristig, dynamisch sowie in Abhängigkeit der jeweiligen Ersatzbrennstoffzusammensetzung in Intervallen und im Ergebnis jeweils exakter bestimmen lässt. Da der jeweilige Wassergehalt einen großen Einfluss auf brennstofftechnische Eigenschaften – wie z.B. den Heizwert – hat, kann das neu entwickelte Bestimmungsverfahren zur Qualitätssicherung bei der Herstellung der Ersatzbrennstoffe beitragen.
Ein Thema mit konkretem Praxisbezug präsentierte Dr. Gabriele Börger (Bild 7), ELM Ersatzbrennstoffe GmbH und Co. KG, mit ihrem Vortrag zu „Qualitätsanforderungen an einen hochwertigen EBS aus Gewerbeabfällen für die Zementindustrie am Beispiel der ELM Mergelstätten“. Sie berichtete über die verschiedenen Kriterien und Maßnahmen, die herangezogen werden, um dem Anspruch der Herstellung von qualitativ hochwertigen Ersatzbrennstoffen gerecht zu werden. Das Qualitätssicherungssystem des Unternehmens sieht u.a. vor, die Abfallströme sowohl im Input als auch im Output (in Form des produzierten Brennstoffs) einer regelmäßigen analytischen Überwachung zuzuführen. Es werden z.B. nur ausgewählte Abfallfraktionen verwertet, die festgelegten Qualitätsanforderungen entsprechen. Die betriebsinterne Aufbereitungstechnik unterliegt ebenfalls einer laufenden Kontrolle wie auch Optimierung. Zusätzlich gibt es einen engen Dialog zwischen dem Abnehmer des produzierten Brennstoffs und den Rohmateriallieferanten, wie auch eine regelmäßige Schulung der Mitarbeiter.
Da Dr.-Ing. Thomas Glorius, Remondis GmbH, gesundheitsbedingt kurzfristig seinen Vortrag über „Aktuelle Arbeiten von BGS und CEN – Online-Analytik auf dem Vormarsch“ nicht wahrnehmen konnte, übernahm Dr. Jürgen Poerschke (Bild 8), FH Nordhausen, stellvertretend die Präsentation der Ergebnisse. Aus biogenen und energiereichen Abfällen hergestellte Solid Recovered Fuels (SRF) sind inzwischen wichtiger Bestandteil eines modernen Abfallmanagementsystems sowie einer nachhaltigen Energieerzeugung. Für die Qualitätssicherung dieser Sekundärbrennstoffe kann die Online-Analyse zu einem wichtigen und kosteneffizienten Instrument werden – so die Ergebnisse des EU-Projektes RECOMBIO, in dem die Nutzung der SRF in energieeffizienten Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung untersucht wurde. Anschließend berichtete Dr. Poerschke auch über den aktuellen „Stand der Normerarbeitung für Pressbohrmethode und Pressmethode“, die zur genaueren Analyse von Stoffgemischen im Bereich der Abfallaufbereitung eingesetzt werden.
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Krause (Bild 9), Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, präsentierte in seinem Vortrag „Experimentelle und numerische Untersuchungen zur Brandgefährdung in Lagern von Recyclingstoffen“. Die Selbstentzündung von Recyclingmaterialien ist ein nicht zu unterschätzendes Phänomen. Praktische Hinweise zur Vermeidung einer Selbstentzündung einschließlich vorbeugender Brandschutzmaßnahmen wurden vorgestellt. Es zeigte sich, dass eine realitätsnahe Vorhersage des Eintretens einer Selbstentzündung nur durch numerische Simulation zuverlässig möglich ist. Ein relativ vollständiges Bild des Selbstentzündungs- und Brandausbreitungsprozesses ergibt sich durch die Kombination experimenteller und mathematischer Methoden. Darüber hinaus ist die Vorausberechnung einer sicheren Lagergeometrie bzw. einer sicheren Lagerdauer möglich.
Im 2. größeren Themenblock des Tages wurden neue verfahrenstechnische Entwicklungen zum roh- und werkstofflichen Recycling präsentiert. Dr. Uwe Sauermann (Bild 10), Logmed Cooperation GmbH, zeigte in seinem Erfahrungsbericht „Möglichkeiten und Grenzen pyrolytischer Verfahren zur Verölung von Kunststoff- und anderen Abfällen“ – insbesondere am Beispiel von Krankenhausabfällen – auf. Mit Hilfe der Logoil-Technologie ist es möglich, die dadurch gewonnenen Produkte als Rohstoffe in der chemischen Industrie, in Raffinerien oder als Brennstoff zur Energiegewinnung mit Generatoren und Blockheizkraftwerken einzusetzen.
Im Mittelpunkt des nachfolgenden Vortrags von Dipl.-Ing. Christian Duwe (Bild 11) stand das „Recycling komplexer Wertstoffe aus Altflugzeugen“. Das Recyclingpotenzial der „fliegenden Rohstoffquellen“ ist enorm, zumal in den nächsten 15 Jahren erwartungsgemäß etwa 400 Flugzeuge jährlich außer Dienst gestellt werden und so dem Verwertungskreislauf zugeführt werden können. Ziel eines vom BMBF geförderten Verbundprojektes zum Flugzeugrecycling ist die Entwicklung und Erprobung einer mobilen Zerlegeeinheit sowie die Identifizierung optimaler Verwertungsrouten für Metalle aus Rumpf- und Tragwerkstrukturen. Am Beispiel der Außenhaut demonstriert der Referent eindrucksvoll Wertstoffpotenziale aus der Rückgewinnung von Verbundstoffen und Entwicklungen im Wertstoffeinsatz.
„Neues zu Sortiertechniken“ erfuhren die Teilnehmer des Workshops von Roland Göggel (Bild 12), Stadler Anlagenbau GmbH. Das Unternehmen hat in Zusammenarbeit mit der Schulz & Berger Luft- und Verfahrenstechnik GmbH eine neue Technik entwickelt, die die Funktionsweise eines Ballistik-Separators mit der Windsichtung kombiniert. Versuche mit dem neu entwickelten „Ballistik-Düsensichter haben gezeigt, dass ein effektiver Einsatz des gekoppelten Geräts nicht nur in der Papieraufbereitung sondern auch in der Mischkunststoffaufbereitung möglich ist. Ein besonders hoher Wirkungsgrad kann z.B. bei der Sortierung von Leichtverpackungen erreicht werden.
Zuletzt standen laufende Forschungsarbeiten im Rahmen des Verbundvorhabens der FH Nordhausen und dem Altenburger Maschinenbauunternehmen Schulz und Berger Luft- und Verfahrenstechnik GmbH auf der Tagesordnung. Zunächst präsentierte Dipl.-Ing. (FH) Michael Rutz (Bild 13) „Neues zur Entwicklung des Rotationsentstaubers“. Im Fokus steht derzeit u.a. die Feinstaubproblematik mit dem Ziel, die konstruktive und verfahrens- und messtechnische Optimierung der Anlage voranzutreiben, um auch für den Einsatz bei Feinstaubanwendungen Marktreife zu erlangen. Schließlich gab M. Eng. Christian Borowski (Bild 14) noch einen Überblick über den derzeitigen Stand der Dinge beim „Einsatz des Pneumatischen Sacköffners in der Papierindustrie“. Er berichtete über laufende Versuchsreihen einschließlich Kostenanalyse zur Öffnungsmechanik mit bzw. ohne Trockeneis sowie mit einem rein druckluftbetriebenen Unterbandöffner.
Mit diesem abschließenden Bericht über aktuelle Forschungsaktivitäten inklusive Life-Demonstrationen stellte der Studiengang Umwelt- und Recyclingtechnik der FH Nordhausen ein weiteres Mal seine Kompetenz in einem dynamischen und zukunftsgerichteten Forschungsfeld unter Beweis, in dem der Praxisbezug ernst genommen und berücksichtigt wird.