Rohstoffkolloquium in Schönebeck
07.06.2024Beim diesjährigen 21. Rohstoffkolloquium in Schönebeck/Bad Salzelmen standen wieder hochkarätige Vorträge auf dem Programm.
Auch in diesem Jahr war das Interesse am Rohstoffkolloquium Schönebeck groß
© Michael Schlutter
Themen waren der neue Landesentwicklungsplan (LEP) Sachsen-Anhalt und die Entscheidung des Sächsischen OVG zum Regionalplan Oberes Elbtal/Osterzgebirge. Außerdem wurde über Praxisbeispiele im Amphibienschutz in der Steine-Erden-Industrie und über erste Praxiserfahrungen mit der neuen Mantelverordnung berichtet. In diesem Kontext wurde der Mineral Waste Manager vorgestellt, eine digitale Lösung zur Einstufung, Verwertung und Entsorgung mineralischer Abfälle. Abgerundet wurde die Vortragsreihe mit einem Ausblick zum Strukturwandel in der energieintensiven Industrie. Zahlreiche Vertreter der Bau- und Rohstoffindustrie sowie von Behörden waren am 11. April wieder der Einladung des Unternehmerverbandes Mineralische Baustoffe (UVMB) e.V. zum Informations- und Erfahrungsaustausch gefolgt.
Der UVMB-Geschäftsführer Bert Vulpius moderierte fachkundig die Veranstaltung
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Mit Blick auf die Dauer von Genehmigungsverfahren eröffnete Bert Vulpius, Geschäftsführer des UVMB, die Veranstaltung mit einem eindringlichen Appell an die Bergbauunternehmen, ihre Zulassungen und das Ablaufdatum ihrer Bergbauberechtigung zu prüfen und rechtzeitig das Gespräch mit der Bergbehörde zur weiteren Verfahrensweise zu suchen.
Den Auftakt der Vortragsreihe machte Dr. Martin Stötzer vom Ministerium für Infrastruktur und Digitales Sachsen-Anhalt. Er informierte über die fachliche Ausgestaltung der Rohstoffsicherung im neuen Landesentwicklungsplan Sachsen-Anhalt. Nach der Darstellung der Aufgaben von Raumordnung und Landesplanung stellte Dr. Stötzer das Grobkonzept sowie den Zeitplan für das Aufstellungsverfahren des Landesentwicklungsplanes Sachsen-Anhalt vor. Ziel sei es, den 2022 begonnenen Fortschreibungsprozess im vierten Quartal 2025 mit einem Kabinettsbeschluss abzuschließen, so dass der Plan im Folgejahr in Kraft treten kann. Dem LEP liegen insgesamt acht Handlungsfelder mit einer gewissen Priorisierung zugrunde. Das erste Handlungsfeld stellt auf die Schaffung attraktiver Standortvoraussetzungen ab. Diesen folgen weitere Felder wie z.B. zukunftsfähige Mobilität, Anpassung an den Klimawandel und Sicherung der Energieversorgung.
Die Vorträge lieferten viele Impulse für Fragen und Diskussionen unter den Veranstaltungsteilnehmern
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Im Weiteren stand die Umsetzung der Rohstoffsicherung im Fokus. So werden mit dem Plan bereits auf Landesebene insgesamt 35 landesbedeutsame Rohstofflagerstätten als Vorranggebiete für die Rohstoffgewinnung ausgewiesen. „Neu gegenüber dem aktuellen LEP ist, das auch Kiessandlagerstätten mit besonderer Versorgungsfunktion als Vorranggebiet ausgewiesen werden“, sagte Dr. Stötzer.
Weiterhin gebe der LEP der Regionalplanung mit den Vorranggebieten für die vorsorgende Rohstoffsicherung ein neues Sicherungsinstrument an die Hand, um aktiven Lagerstättenschutz für zukünftige Generationen zu ermöglichen.
Mit dem Plan werden auch die Voraussetzungen für multifunktionale Flächennutzung geschaffen, so dass innerhalb von bergbaulich genutzten Flächen auch Zwischennutzungen für die Erzeugung erneuerbarer Energien möglich sind.
Auf die Umsetzung der Vorgaben der Landesentwicklungspläne und deren Ausgestaltung in den Regionalplänen ging Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Dammert von der Kanzlei Rechtsanwälte Dr. Dammert und Steinforth in seinem Vortrag: “Rohstoffsicherung in der Sächsischen Regionalplanung im Lichte der Entscheidung des Sächsischen OVG zum Regionalplan Oberes Elbtal/Osterzgebirge“ ein.
Drei Bergbauunternehmen hatten hier erfolgreich gegen den Regionalen Planungsverband Oberes Elbtal/Osterzgebirge (RPV) geklagt. Die Antragsteller wendeten sich bereits im Jahr 2021 gerichtlich gegen den damals neu aufgestellten Regionalplan, mit der Begründung, dass den Belangen der Rohstoffversorgung darin nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei.
Die Referenten des 21. Rohstoffkolloquiums (v.l.n.r.): Oliver Fox, Bert Vulpius, Dr. Martin Stötzer, Prof. Dr. Dammert, Alexander Slickers (nicht im Bild: Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn und Carl W. Finck)
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Prof. Dr. Dammert erläuterte die rechtlichen Hintergründe und Konfliktpunkte, die sich aus der Herabstufung vom „Vorranggebiet Rohstoffgewinnung“ zu einem „Vorranggebiet langfristige Sicherung von Rohstofflagerstätten“ und deren Überlagerungen mit anderen Freiraumnutzungen ergeben. Mit dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes wurden die Kapitel Freiraumentwicklung und Wasserversorgung des Regionalplanes für unwirksam erklärt.
Für eine staatliche Bedarfsplanung der Rohstoffgewinnung gebe es weder eine gesetzliche Grundlage noch ein praktisches Bedürfnis, lautete das Fazit von Prof. Dr. Dammert. Vorrang- und Vorbehaltsgebiete im Freiraumbereich dürften nicht dazu missbraucht werden, den Rohstoffabbau zu blockieren.
Dem Eigentumschutz sei bezogen auf Bergbauberechtigungen künftig ein weit größeres Gewicht beizumessen. Zielführend wäre es, Konflikte bereits im Vorfeld auszuräumen oder zu entschärfen, indem der Bergbehörde ein Widerspruchsrecht gegen rohstoffblockierende Zielvorgaben der Raumordnung eingeräumt würde.
„Frühlingszeit ist Amphibienzeit“ leitete der Biologe Oliver Fox vom Unternehmerverband Mineralische Baustoffe seinen Vortrag „Amphibienschutz: Praxisbeispiele aus der Steine- und Erden-Industrie“ ein. Er berichtete über Ergebnisse biologischer Bestandsaufnahmen und durchgeführter Artenschutzmaßnahmen in Abbaustätten des Verbandsgebietes. Fox stellte dabei einige Amphibienarten mit ihren speziellen Lebensraumanforderungen vor, die in aktiven Gewinnungsbetrieben vorkommen. Um dieses Potential von Tagebauen und Steinbrüchen nutzen zu können, sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Naturschutz notwendig. Inzwischen engagieren sich viele Unternehmen mit freiwilligen Maßnahmen im Amphibienschutz, setzen Technik und Arbeitszeit beispielsweise zur Schaffung und zum Erhalt von Kleingewässern ein, aber auch der Schutz der Brutplätze von Uferschwalbe und Flussregenpfeifer sei inzwischen Standard.
In den vergangenen Jahren hat sich die Kooperation mit den Naturschutzbehörden positiv entwickelt. Rohstoffgewinnung und Artenschutz sind in der Praxis gut miteinander vereinbar, so das Fazit von Oliver Fox.
Die Pausen boten vielfältige Möglichkeiten zum fachlichen Austausch
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Nachdem uns die neue Mantelverordnung nun schon geraume Zeit im Alltag begleitet, erläuterten Bert Vulpius und Alexander Slickers von der Slickers GmbH in einem gemeinsamen Vortrag „9 Monate Mantelverordnung – ein erster Erfahrungsbericht“ die praktische Umsetzung der neuen Verordnung. So sei die öffentliche Wahrnehmung der Verordnung überwiegend negativ, was auf fachliche Unkenntnis, mangelhafte Informationen und auf Vollzugsprobleme in den Bundesländern zurückzuführen ist. Den Vorteil sieht Vulpius darin, dass mit der Ersatzbaustoffverordnung jetzt endlich bundeseinheitliche Regelungen zur Herstellung, Güteüberwachung und zum Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen vorliegen, bei denen auch die wasserrechtlichen Rahmenbedingungen klar definiert sind.
Bei der Bundesbodenschutzverordnung können sich für die Unternehmen nach Ablauf des Bestandsschutzes wirtschaftliche Nachteile ergeben, die aber stark abhängig sind von der jeweiligen Zulassungssituation.
Im Moment beschäftigt die Recycling-Wirtschaft besonders das Eckpunktepapier des Bundes zum Abfallende. Hier besteht die Gefahr, dass kaum noch vermarktungsfähige Materialklasse zweiter Wahl entstehen und damit die Ziele der Kreislaufwirtschaft torpediert werden.
Eine mangelhafte Kommunikation zwischen Behörden und Unternehmen, Zuständigkeits- und Vollzugsprobleme, Kapazitätsengpässe bei Laboren und Gutachtern sind aus Sicht von Alexander Slickers die Herausforderungen im Alltag des Baustoffrecyclings.
Ebenso stellen die Dokumentationspflichten, die mit der Erstellung des Deckblatts nach § 25 Absatz 3 Satz 1 EBV sowie den Anzeigepflichten verbunden sind, insbesondere die Bauindustrie als Verwender vor Probleme. Hier sollte an einer Vereinfachung gearbeitet werden. Die Länder müssen Informationen zum Grundwasserabstand und zur Bodenart, die beim Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen herangezogen werden müssen, einfacher verfügbar machen.
Seit Jahren sind für die Branche fehlerhafte Ausschreibungen ein großes Ärgernis. Regelmäßig wird nicht gesteinsneutral nach technischen Parametern ausgeschrieben, sondern Recyclingmaterial nicht gerechtfertigt ausgeschlossen. Die öffentliche Hand kommt dabei ihrer Vorbildfunktion für die Kreislaufwirtschaft nicht nach.
Er forderte, dass dort, wo es bautechnisch und umweltrechtlich möglich ist, auch Recyclingmaterial der Klassen 2 und 3 ausgeschrieben wird. „Passiert das nicht, ersticken unsere Aufbereitungsanlagen an RC-Baustoffen der Klassen 2 und 3, wir können in der Folge keine mineralischen Abfälle mehr angenehmen und laufen in einen Entsorgungsnotstand bei explodierenden Preisen“, so Alexsander Slickers.
Carl W. Finck stellte den Mineral Waste Manager vor
© Michael Schlutter
Eine passende Antwort auf den Fachkräftemangel und ein Werkzeug zur Vereinfachung standardisierter Prozesse verbindet „Der Mineral Waste Manager – digitale Möglichkeiten der Einstufung, Verwertung und Entsorgung von mineralischen Abfällen“. Diese neue digitale Anwendung stellte Carl W. Finck von der RST Recycling und Sanierung Thale GmbH vor. Diese mit einer IT-Firma gemeinsam entwickelte Lösung soll zukünftig die ineffiziente analoge Abwicklung bei der Einstufung, Verwertung und Entsorgung mineralischer Abfälle ersetzen und somit vor allem Zeit und Kosten sparen sowie die Fehlerrate reduzieren.
Der Weg geht dabei über eine KI-basierte Gutachtenanalyse, mit der die Verwertung mineralischer Abfälle optimiert wird. Dabei erfolgt eine Bewertung der mineralischen Abfälle nach den bundesländerspezifischen Regelwerken, aber auch nach den Artikeln der neuen Mantelverordnung (EBV und BBodSchV), eine Auswahl der besten Entsorgungswege durch ein Anlagentool, die Erarbeitung von Angeboten und letztendlich eine vereinfachte Kommunikation zwischen Kunden und Mitarbeitern.
Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn zeigte Perspektiven für die zukünftige Energieversorgung und die CO2-Verarbeitung auf
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Über Herausforderungen und Chancen beim Ende der Kohleverstromung informierte Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in seinem Beitrag „Strukturwandel der energieintensiven Industrie – Strom, Wasserstoff, Kohlenstoff, Lithium“. Dabei standen die Themenkreise Versorgungssicherheit, Kapazitätsreserven und Strompreise im Mittelpunkt. Es würde zukünftig zu einer „Grünstromknappheit“ bzw. steigenden Preisen kommen, prognostizierte Wehrspohn. Deshalb sollten die Unternehmen bei vorhandenen Flächen versuchen, durch eine Eigenerzeugung von Strom und Treibstoffen bis 2040 von „Preisen auf Kosten“ umzustellen. Modellprojekte würden die Wirtschaftlichkeit solcher Ansätze zeigen. „Abschreibungen sind planbar, das Grünstromangebot bis 2030 nicht“, so Wehrspohn. Eine weitere Perspektive läge in der vermehrten Produktion von Wasserstoff und dem Aufbau eines entsprechenden Gasnetzes. Ein weiteres Thema ist die chemische Verarbeitung von CO2 zu verschiedenen Produkten wie E-Fuels und einlagerbaren, festen Carbonaten. Hier gebe es verschiedene Ansätze und Projekte.
Neben Wasserstoff kommt Lithium eine besondere Bedeutung zu. Unter der These vom Kohlenstoffzeitalter ins Lithiumzeitalter stellte Wehrspohn verschiedene Lithiumraffinerie-Projekte in Europa vor. Hier stellte er auch eine Verbindung zur aktuellen Ersatzbaustoffverordnung her. Industrielle Nebenprodukte wie Hüttensande, Hochofenschlacken, Flugaschen und REA-Gipse werden in ihrem Aufkommen zukünftig stark zurückgehen. Mit der Nutzung und dem Recycling von Lithium werden neue industrielle Nebenprodukte anfallen, die auch als Ersatzbaustoffe verwendet werden könnten, aber momentan noch nicht in der EBV erfasst sind.
Autoren: Michael Schlutter, Stephanie Wittwer, Bert Vulpius