Interview mit Christian Hülsewig
Die Baubranche zu digitalisieren und dabei grüner, einfacher und effizienter zu machen – für nicht weniger als die Erfüllung dieser Ziele ist das deutsche ScaleUp Schüttflix 2018 an den Start gegangen. Schüttflix ist damit eine der ersten digitalen Logistikdrehscheiben für die Baubranche.
Die Plattform verbindet Bauunternehmer, Baustoffanbieter, Entsorger und Spediteure miteinander. Mit wenigen Klicks können Unternehmer in der App Preise vergleichen, Schüttgüter und Transporte direkt bestellen oder entsorgen. Statt regional fragmentiert und intransparent, schafft Schüttflix so erstmalig einen funktionierenden, effizienten Markt für alle gängigen Schüttgüter in Deutschland, Österreich, Polen und der Tschechischen Republik.
Seinen Partnerspeditionen ermöglicht Schüttflix eine optimierte Tourenplanung, die zu weniger Leerfahren und somit mehr Nachhaltigkeit führt. Darüber hinaus unterstützt Schüttflix mit Daten für die Echtzeit-Analyse und digitalen Dokumenten (Rechnungen, Lieferscheine, Wiegedokumente) Bauunternehmen bei der Optimierung und Digitalisierung ihrer Prozesse. Durch die Verknüpfung von Abbruch- und Entsorgungsunternehmen und damit verbundenem Recyclingmaterial schafft Schüttflix einen echten Hebel zu mehr Kreislaufwirtschaft und zum intelligenten Stoffstrommanagement.
Das Unternehmen machte 2023 ca. 125 Mio. € Umsatz und zählt aktuell über 13 000 Kunden und Partner auf der Plattform.
Im Interview mit AT MINERAL PROCESSING spricht CEO und Co-Gründer Christian Hülsewig über die Herausforderungen der Branche und die Möglichkeiten durch Digitalisierung und echte Wertschöpfungsketten.
Baustellen und Gewinnung von mineralischen Rohstoffen, wo kommt da das Thema Digitalisierung ins Spiel?
Einfach überall. Ohne digitale Prozesse wird es auch in der Baubranche zukünftig definitiv nicht gehen! Schüttgüter mit wenigen Klicks effizient und schnell bestellen und abtransportieren lassen zu können, dabei Ver- und Entsorgung intelligent und effizient zu verknüpfen und damit den Grundstein für geschlossene Stoffkreisläufe und eine ressourcenschonende Bauwirtschaft zu legen – all das geht einfach viel besser über eine funktionierende digitale Plattform. So können Kunden und Partner per Handy die Kosten für die Lieferung von mineralischen Rohstoffen vergleichen, auf einer Karte markieren, wohin die Ware geliefert werden soll und damit den gesamten Bestellprozess digital abwickeln – von der Bestellung über Wiegenoten und Lieferscheinen bis hin zur Rechnungsstellung.
Im Entsorgungsprozess erhalten unsere Kunden und Partner die Möglichkeit, alle abfallwirtschaftlichen und entsorgungstechnischen Informationen während des Bestell- und Transportprozesses zu verfolgen und jederzeit nachzuvollziehen. Das Ergebnis: weniger Papier, mehr Transparenz, weniger Kosten.
Schüttflix ist ein noch junges, aber sehr agiles Unternehmen. Welche neuen Entwicklungen hat Ihr Unternehmen in den letzten 12 Monaten gelauncht?
Seit Januar 2023 bieten wir neben der Baustellenversorgung mit Schüttgütern auch die vollsystemische Entsorgung von Bau- und Abbruchabfällen an. Abfallerzeuger können ihre Entsorgungsprozesse seitdem eigenständig und digital über die Schüttflix-App steuern. Darüber hinaus setzen wir seit letztem Jahr Künstliche Intelligenz ein, um unsere analogen und digitalen Prozesse besser miteinander zu verknüpfen. Die KI ermöglicht es uns, klassisch gedruckte Wiegescheine über eine OCR-Anwendung (Optical Character Recognition) automatisch in die Schüttflix-Plattform zu integrieren. Mit der Bild-zu-Text-Anwendung muss der LKW-Fahrer nach der Verwiegung beim Erzeuger nur noch mit seinem Handy die Scanfunktion in der Schüttflix-App auswählen und den Wiegeschein abfotografieren. Alle relevanten Informationen, Zahlen und Daten werden automatisch ausgelesen und digitalisiert. Somit hat der Kunde jederzeit alles in Echtzeit im Blick.
Kreislaufwirtschaft ist ein heiß diskutiertes Wort. Schüttflix will auch mit seiner App die Kreislaufwirtschaft im Bereich mineralischer Baustoffe voranbringen – wie genau geht Schüttflix dabei vor?
Durch die stetig wachsende Zahl an Kunden und Partnern auf der Plattform ergeben sich unglaubliche Möglichkeiten, vor allem zwischen den einzelnen Baustellen.
Ein Beispiel: Wenn in Berlin eine Straße gebaut wird, muss der Schotter nicht mehr zwingend als Primärbaustoff aus der Lausitz über 150 km angeliefert werden, sondern kommt zukünftig im Idealfall von der Rückbaumaßnahme gleich um die Ecke. Hier gibt es enormes Potential – ökonomisch und ökologisch. Das ist ressourcenschonend, spart Zeit und Geld.
Wie weit greift Schüttflix in die Sekundärstoffaufbereitung ein? Können angebotene Materialien von Schüttflix auch zerkleinert oder sortiert werden?
Wir bieten mithilfe unseres Netzwerks die gesamte Wertschöpfungskette an. Auch der Einsatz mobiler Brechanlagen wird über uns möglich, allerdings lohnt sich dieser oft nur bei größeren Baustellen mit hohem Volumen, da die Ersatzbaustoffverordnung hier deutlich schwierigere Abläufe geschaffen hat. Kleinere Aufkommen fahren wir in die Wertstoffzentren unserer Partner und bereiten vor Ort auf.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung einerseits von Schüttflix, andererseits der Baustoffwirtschaft im Allgemeinen?
Schüttflix ist angetreten, um die Baubranche europaweit zu digitalisieren, effizienter zu machen und dabei deutlich grüner. Das haben wir in Teilen bereits sehr erfolgreich geschafft und darauf sind wir stolz. Nun stehen bei der Weiterentwicklung unseres Geschäftsfelds die Themen Kreislaufwirtschaft und das Reduzieren von Emissionen im Fokus. Dazu bildet unser Konzept – das Zusammenführen von Ver- und Entsorgung – die optimale Grundlage.
Die Bauwirtschaft steht insbesondere im Wohnungsbau derzeit vor erheblichen Herausforderungen durch die veränderte Zinspolitik. Da können nur sinkende Zinsen oder andere Förderprogramme helfen. Wir fokussieren uns auf Infrastrukturthemen wie Straßenbau, die Schiene und unsere Energiewende, da ist für uns auch in diesem Zinsumfeld mehr als genug zu tun.
Was würden Sie sich von der Politik wünschen, um die Kreislaufwirtschaft in der Baustoffindustrie wirklich umsetzen zu können?
Baustoffe, die die Baustelle verlassen, sind nicht automatisch Abfälle! Ein Großteil kann heute aufbereitet und als RCL wiederverwendet werden. Man könnte sagen: Der Rückbau ist das Schotterwerk der Zukunft! Die neue Ersatzbaustoffverordnung hat dabei im vergangenen Jahr in der Branche, insbesondere auf den Recyclinghöfen, für viel Unverständnis gesorgt, weil hier insbesondere die Aufbereitung vor Ort auf den Baustellen deutlich erschwert wurde.
Außerdem sollten Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft nicht nur in Berlin besprochen und beschlossen, sondern auch bundesweit umgesetzt werden. Denn in der Realität werden nach wie vor allzu oft bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere auf kommunaler Ebene, Nachweise in Papierform und Naturstein gefordert. Hier muss dringend ein Umdenken erfolgen.