Weniger ist manchmal mehr

Verleihung des Deutschen Rohstoffeffizienz-Preises 2017

U‌nter dem Motto „Rohstoffe effizient nutzen – erfolgreich am Markt“ hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) am 25. Januar 2018 zur Verleihung des Deutschen Rohstoffeffizienz-Preises 2017 im Rahmen einer Fachkonferenz eingeladen. Rund 200 Teilnehmer aus Industrie, Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen, Ministerien sowie Wissenschafts- und Wirtschaftsverbänden konnte Dr. Peer Hoth, Referatsleiter Mineralische Rohstoffe und Geowissenschaften im BMWi begrüßen. Das Ziel der Preisvergabe sei es, die effiziente Nutzung von Rohstoffen aufzuzeigen und besser in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Noch immer fehlt es an Bewusstsein für heimische Rohstoffe und Industrieminerale in der Öffentlichkeit, dabei ist auch das zwingend  erforderlich, um dem ständig wachsenden Rohstoffbedarf entgegenzuwirken. Die anschließenden Fachvorträge, moderiert von Dr. Frauke Lohr, vermittelten einen Eindruck von den vielfältigen Möglichkeiten, Ressourceneffizienz entlang der Wertschöpfungskette zu praktizieren.

Im Eröffnungsvortrag von Cornelia Szyszkowitz, Deutsche Telekom Technik GmbH, standen Elektronikschrott  und – altgeräte als Rohstoffressource im Fokus. Sie zeigte all die Schwierigkeiten auf, die damit verbunden sind – angefangen bei der Bereitschaft, die Altgeräte zurückzugeben, über die Sammlung und Rücknahme bis hin zur Aufbereitung der Geräte selbst. Die Rücknahmequote wird auf nur rd. 10 % geschätzt, da hilft es auch nicht allzu viel, dass die „Recyclingquote“ (inputbezogen) bei der Telekom 90 % beträgt. Treffend formulierte es Tim Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG in seinem Blog zur Klimakonferenz im November 2017: „Die Digitalisierung kann Probleme lösen, aber sie schafft auch neue, etwa durch die Kurzlebigkeit technischer Gerätewie z.B. der Smartphones. ... Rd. 100 Mio. alte Mobilfunkgeräte liegen noch irgendwo in deutschen Schubladen….“ Die Referentin zeigte abschließend Wege auf, wie die Nachhaltigkeit im Mobilfunkbereich verbessert werden kann (Beispiel Fairphone – modularer Aufbau, mehr ressourcenschonende Smartphones und ICT Geräte verwenden, längere Nutzungsdauer ermöglichen, Förderung von Second-Hand-Märkten, verbraucherfreundliche Sammelsysteme u.a.).

Fachvorträge - Ressourceneffizienz entlang der Wertschöpfungskette

Beginnend mit einem Impulsvortrag beleuchtete Dr. Torsten Brandenburg, Deutsche Rohstoffagentur (DERA), Berlin, die Preis- und Lieferrisiken von Hochtechnologiemetallen. Hochmoderne Produkte enthalten heute eine Vielzahl von chemischen Elementen und ein sicherer und nachhaltiger Rohstoffbezug ist unabdingbar. Der Referent stellte das Auf und Ab der Rohstoffpreisentwicklung an ausgewählten Beispielen dar, ging auf die geänderte Rohstoffpolitik Chinas ein (ca. 50 % der Rohstoffnachfrage wird durch China bestimmt) und zeigte Möglichkeiten zur Rohstoffabsicherung auf (optimierte Gewinnungsverfahren, Reduktion der Einsatzmengen, Substitution von Rohstoffen sowie Recycling). Die besondere Rolle Chinas zeigt sich u.a. auch darin, dass das Land bei 23 von 53 Bergwerksprodukten und 21 von 26 Raffinerieprodukten größter Produzent ist. Entsprechend ist sein Einfluss auf die Weltmarktpreise (siehe auch das Rohstoffinformationssystem der DERA unter www.deutsche-rohstoffagentur.de).

Eine neue Betrachtung zur Ressourceneffizienz im Leichtbau vermittelte Dr. Martin Vogt, VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH: nicht allein die Nutzungsphase sollte im Fokus stehen, sondern der gesamte Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung über die Verarbeitung, Nutzung bis hin zum Lebensende (Abfall/Recyclingprodukte). Dabei wurden sowohl der stoffliche als auch der konstruktive Leichtbau in die Überlegungen einbezogen. Entsprechend leiten sich dafür produktbezogene und prozessbezogene, aber auch verwertungs- und beseitigungsbezogene Maßnahmen ab. Besondere Herausforderungen stellen CFK-Leichtbaustoffe wegen ihrer Schwierigkeiten beim Recycling dar (die bei der thermischen Verwertung übrigbleibenden Fasern sind aufgrund ihrer Geometrie karzinogen), hinzu kommt ihr hoher Energieeinsatz bei der Fertigung und die zerstörungsfreie Prüfung in der Großserie ist kompliziert. Dennoch laufen sehr viele Forschungsprojekte wie beispielsweise ein auf der Pyrolyse basierendes Verfahren zur Herstellung von Kurzfasern oder die Solvolyse.

Mit einem gut funktionierenden Beispiel für das Metallrecycling konnte Stefan Buch, Berzelius Metall GmbH, Braubach, aufwarten: das Recycling von Bleibatterien. Weltweit etwa 1,3 Mrd. Fahrzeuge sind ein lohnendes Objekt dafür. Hinzu kommen zunehmend Bleibatterien für die Start/Stopp-Funktion, Notstromversorgung, Photovoltaikanlagen, Hybrid- und Elektrofahrzeuge, Windkraftanlagen, U-Boote, aber auch Pb für den Strahlenschutz, als Gegengewichte u. v. a. m. Mit den drei Firmen BSB, BBH und MRU und unter Einbeziehung der BLS Logistic Service GmbH (Sammlung) betreibt die Berzelius Metallgesellschaft sowohl den Recyclingprozess als auch die energetische Verwertung. Durch Recycling im Verbund der drei Betriebe gelingt es, die Stoffströme zu optimieren und eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu praktizieren. Mit einer Recyclingquote von durchschnittlich 85 % erreicht das Unternehmen einen deutlich höheren Wert als die gesetzlich vorgegebenen 65 %.

Zwei Grundsatzreferate rundeten das Fachprogramm ab: Prof. Dr. Martin Stuchtey, SYSTEMIQ, Universität Innsbruck/ Österreich („Ressourcenmanagement – global gedacht“) setzte sich sehr kritisch mit der Ressourceneffektivität auseinander. Das jetzige Tempo der Ressourceneffizienz reiche nicht und ein systemischer Wandel sei notwendig. Er forderte auch eine neue Wertschöpfungslogik, die die verschiedensten Elemente berücksichtigen muss, beispielsweise bei Automobilen nicht nur im Ressourcenbereich, sondern auch im Nutzungsbereich (Shearing, Leasing usw.). Sein Plädoyer: eine massive Beschleunigung der Rohstoffeffektivität ist erforderlich, für den Paradigmenwechsel sollte man nicht erst warten, bis man in einer Sackgasse steckt, wie bspw. beim Braunkohleabbau in Deutschland.

Prof. Dr. Martin Faulstich, TU Clausthal, rief in seinem Referat „Wie sieht die zukünftige Industriegesellschaft aus“ in Erinnerung: „Wir leben in einer planetar begrenzten Welt! Seit 45 Jahren reden wir vom Umweltschutz, seit 30 Jahren von Nachhaltigkeit und seit 25 Jahren vom Klimaschutz, haben aber keine Entkopplung erreicht.” Das Ergebnis sei beschämend, beispielsweise steigen die CO2-Emissionen wieder. Aus seiner Analyse zu Wachstum und Ressourcenverbrauch leitete er einige Thesen ab, die Wege für den Wandel aufzeigen, beispielsweise die vollständige und effiziente Decarbonisierung der Energieversorgung, einen vollständigen Ausstieg aus der Nutzung von Kohle, Erdöl und Erdgas, die Fokussierung des Recyclings auf endliche Ressourcen wie Metalle und Phosphor. Um diese Ziele zu erreichen, müssen Energie- und Rohstoffwirtschaft an einem Strang ziehen, man darf den Strukturwandel nicht aufhalten, aber man muss ihn gut vorbereiten.

Preisverleihung

Die Preisverleihung nahm in diesem Jahr Matthias Machnig, Staatsekretär im BMWi gemeinsam Prof. Dr. Ralph Watzel, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Berlin, gleichzeitig Vorsitzender der Jury für den deutschen Rohstoffeffizienzpreis, vor.

Der Jury gehören 14 Vertreter aus Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft an. Die Auswahlkriterien sind:

Messbare Rohstoffeffizienz

Übertragbarkeit in die Wirtschaft

Innovationsgrad (Beispielcharakter).

Insgesamt wurden sechs Unternehmen und zwei Forschungseinrichtungen nominiert.  Die Auswahl als Preisträger fiel auf drei mittelständische Unternehmen und eine Forschungseinrichtung, die Prof. Watzel als „Leuchttürme der Rohstoffnutzung“ bezeichnete:

OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG, Ispringen: „REProMag – Ressourceneffiziente Herstellung von Hartmagneten auf Basis Seltener Erden“ (nahezu abfallfreie Herstellung von Magneten mit komplizierter Geometrie aus 100 % Recyclat nach dem SDS-Verfahren [Sharping, debinding, sintering])

Cronimet Envirotec GmbH, Bitterfeld: „Aufbereitung öl- und metallhaltiger Industrieschlämme“ (Gewinnung von Rohmetallen, Schleiföl und Legierungen durch Vakuumdestillation)

BTS GmbH, Weilheim: „Tausch – Turbolader-Programm“ (Herstellung neuer Turbolader für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch Nutzung von Bauteilen ausgemusterter Exemplare)

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Stuttgart: „Automatisierte maskierungsfreie Zweifarbenlackierung für Spiegelgehäuse“ (Verhinderung des verlustreichen Lacknebels in der Lackiertechnik durch definierte Erzeugung von Lacktröpfchen, die auf die Oberfläche „geschossen“ werden).

Vor der Auszeichnungszeremonie hob Staatssekretär Machnig nochmals die heutige Bedeutung der Rohstoffeffizienz hervor: „Ohne Rohstoffe gibt es keine Energiewende; Recycling ist nicht alles und Abfalltrennung ist nicht schon der Olymp der Rohstoffeffizienz! Die Ziele der Energiewende sind klar definiert, dafür gilt es ein gemeinsames Interesse zu entwickeln.” Abschließend forderte er die Sachverständigenräte auf, intensiv über Umweltpolitik zu reden.

Den weiteren Nominierten:

MoreAero GmbH: Mobiles Flugzeug-Recycling,

Toho Tenax Europe GmbH: Geschlossener Kreislauf thermoplastischer Verbundwerkstoffe,

Technisches F&E-Zentrum für Oberflächenveredlung und Hochleistungszerspanungswerkzeugbau: Neues Verfahren zur Herstellung von Metallcarbiden sowie

Ludwig-Maximilians Universität München: Sortenreines Sortieren schwer trennbarer Kunststoffe durch Bestrahlung mit UV-Licht gratulierte Staatssekretär Machnig ebenfalls, da auch sie einen beachtlichen Beitrag auf dem Weg zur Rohstoffeffizienz geleistet hätten.

Die Veranstaltung schloss mit der Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch bei einem kleinen, festlichen Empfang.

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