Spurensuche

Kennen Sie den Stöffel-Park? Wenn nicht, dann wird es aber Zeit. Das mit 140 ha ehemals größte Basaltabbaugebiet im Westerwald, eine weltweit bedeutende Fossillagerstätte und die über 100 Jahre alten Aufbereitungs- und Werksanlagen machen den Besuch im Stöffel-Park mehr als lohnenswert.

Mitten im Westerwald, zwischen Enspel, Nistertal und Stockum-Püschen und damit südlich von Bad Marienberg liegt der Stöffel-Park. Der Name geht auf den Stöffel zurück, eine Basaltkuppe, die sich im Laufe von rund 100 Jahren zur größten zusammenhängenden Basaltabbaufläche im Westerwald entwickelte. Mit dem „Tertiär- und Industrie-Erlebnispark Stöffel-Park“ wird nicht nur die Geschichte des Basaltabbaus, seiner Gewinnung und Weiterverarbeitung dokumentiert, sondern auch das sichtbar gemacht, was sich vor 25 Millionen Jahren am damaligen „Stöffel-See“ abspielte. Aber es bleibt nicht allein bei der historisierenden Betrachtung der Geschichte, es geht auch um die Neunutzung der alten Werksanlagen und der alten Abbauflächen selbst, was sich in ganz unterschiedlicher Art und Weise unter dem Begriff „Erlebnispark Stöffel“ fassen lässt.

100 Jahre Basaltabbau

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war in der Umgebung des Stöffels kaum Industrie zu finden. Als 1902 die Firma J. G. Adrian mit den ersten Vorbereitungen für den Basaltabbau am Stöffel begann, kam etwas wie „Aufschwung“ in die Region. Mit dem Bau einer Bahnverladestation und eines Brechergebäudes wurde 1903 der eigentliche Abbaubetrieb aufgenommen, und zwar mit einfachsten Mitteln. Danach ging es stetig aufwärts. Um 1904 erfolgte der Bau der alten Schmiede, wo heute der Erlebnisraum „Historische Werkstatt“ untergebracht ist. 1906 waren zunächst sechs Arbeiter im Steinbruch beschäftigt. Die erste Brecheranlage wurde in Betrieb genommen. Die Auftragslage war gut und schon 1907 wurden zur Behebung des Arbeitskräftemangels 20 Italiener eingestellt. Der Wochenlohn betrug damals 35 bis 40 Mark. Um 1914 wurde die anfänglich zur Energieerzeugung eingesetzte Lokomobile – eine bewegliche Dampfmaschine – durch eine fest installierte Dampfmaschine ersetzt. Der Schornstein mit 38 Meter Höhe wurde zum neuen Wahrzeichen am Stöffel. Manches ging nun einfacher: Der Basaltabbau wurde durch Sprengungen erleichtert. Bereits 1912 musste daher ein Dynamitlager errichtet werden. Die Dampfmaschine wurde 1922 durch drei leistungsstarke BBC-Elektro-Motoren mit jeweils 125 PS ersetzt, drei weitere Brecheranlagen kamen dazu. Damit wurde ein vorläufiger Rekord erreicht: 1927 wurden insgesamt 330 000 Tonnen Basalt in den Betrieben Stöffel, Hergenroth und Limburg abgebaut. In den 20-er Jahren arbeiteten bis zu 1000 Menschen im Steinbruch. 1949 erfolgte dann der Bau von Ersatzteilschuppen, sogenannte Nissenhallen, und der Bau einer Unterkunft. Von 1950 an stand die Mechanisierung der Industrieanlagen im Mittelpunkt; zugleich wurde der Rohstofftransport auf Lkw umgestellt. Außerdem kamen jetzt immer mehr Bagger zum Einsatz, durch die weiter fortschreitende Sprengtechnik konnte immer mehr an Material gewonnen werden. Für die Handarbeit begann damit der Rückzug. 120 Arbeiter waren zu diesem Zeitpunkt bei Adrian beschäftigt. 1958 wurde ein Förderband von den Brecheranlagen direkt zur Bahnverladung installiert, womit allmählich die Zeit der Loren zu Ende ging. Der Abbau war bis zum Ende des Jahres 2000 in Betrieb, zuletzt mit elf Arbeitern. Die Abbaumenge allein bei der Firma Adrian betrug im letzten Betriebsjahr fast 341 000 Tonnen. Die Vorkommen sind heute erschöpft und aus der ehemaligen Basaltkuppe ist eine Senke entstanden. Im Gegensatz zu den meisten anderen rohstoffabbauenden Betrieben wurden in diesem Fall allerdings die alten Abbaueinrichtungen und Gebäude nicht abgerissen, sondern von den Firmeneigentümern im Laufe der Jahre immer wieder modernisiert oder einer anderen Nutzung zugeführt. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass die alten Werksanlagen bis heute fast vollständig erhalten sind. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Historische Werkstatt, das Kessel- und Schalthaus, der Kohleschuppen und die Kipperbuden, selbstverständlich auch die Brecheranlagen.

Historische Werksanlagen – und neue Nutzungen

Die Historische Werkstatt mit der alten Schmiede und der ehemaligen Stellmacherei kann ohne Übertreibung als Herzstück des alten Betriebs bezeichnet werden und ist nach der sensiblen, historiengetreuen Renovierung sicherlich ein Schmuckstück der Gesamtanlage. Heute findet hier eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen statt. Die Historische Werkstatt war das technische Zentrum, vielleicht sogar der wichtigste Bestandteil des Basaltwerks. Dort wurden alle Arbeiten durchgeführt, die für einen reibungslosen Betriebsablauf nötig waren. Das waren Reparaturen aller Art, Umbauarbeiten und natürlich das Herstellen eigener Werkzeuge und Maschinenteile. Außerdem wurden Siebe, Rutschen, Transportbänder oder Brecherkegel zum Basaltabbau, Zerkleinern oder Sortieren gefertigt oder wieder instand gesetzt. Neben Schmied und Schlosser war der Stellmacher unentbehrlich: Er stellte die für die Basaltindustrie zur damaligen Zeit so wichtigen Loren her. Am Stöffel nutzten die Arbeiter die Loren zum Transport des gebrochenen Basalts und der bearbeiteten Steine. Anfangs wurden die Fahrgestelle genietet, später geschweißt. Auch die Achsen wurden in der Werkstatt hergestellt, lediglich Lager und Räder wurden fertig angeliefert. In dem Moment, wo der technische Fortschritt Loren und Leiterwagen überflüssig gemacht hatte, starb der Beruf des Stellmachers aus. Das ehemalige Kessel- und Schalthaus, das mit seiner Dampfmaschine das gesamte Werk mit Energie versorgte, beherbergt heute die “Erlebnis-Toiletten”: Mit der Original-Trafostation können während des Toilettenbesuchs wie auf einer Tonleiter Signale und Geräusche der ehemaligen Betriebsanlage selbst erzeugt werden. Der ehemalige Kohleschuppen dient heute als Café, eine durchaus willkommene Erholungspause, bevor es auf dem Rundgang weiter in die zum Teil fünfstöckigen Brechergebäude geht. Ebenfalls sehr interessant: Die alten Kipperbuden, in denen die Steinezurichter, die sogenannten Kipper, bei jeder Witterung und während des gesamten Jahres Pflastersteine zuschlugen. Der alte Bremsberg ist auch eine nähere Betrachtung wert. Auf ihm wurden leere Loren aufwärts gezogen, weil die gefüllten Loren zur gleichen Zeit abwärts fuhren. Die Anlagen können zwar auch allein besichtigt werden, es empfiehlt sich aber die Teilnahme an einer Führung, die vieles deutlicher macht.

Die Stöffel-Maus: Erdgeschichte zum Erleben

Der Stöffel-Park gehört zum “Geopark Westerwald-Lahn-Taunus”, der auf Basis des Abbaus der Rohstoffe Kalk, Basalt, Ton und der verschiedener Eisenerze an mehreren Standorten im Westerwald Einblicke in die Erdgeschichte ermöglicht. Beim Stöffel-Park ist dies der ehemalige Stöffel-See, der vor über 25 Millionen Jahre im Zuge heftiger Vulkaneruptionen durch mächtige Basaltschichten überdeckt wurde. Daher rührt auch die Bezeichnung „Tertiär-Park“, da durch den Abbau des Basalts die Fossillagerstätte des Oberoligozäns an dieser Stelle wieder zugänglich wurde. Seit über 25 Jahren werden hier Grabungen durchgeführt - seither wurden ca. 20 000 unterschiedlichste Fossilien gefunden und präpariert. 1992 gelang dem Grabungsteam ein Säugetierfund, der den Stöffel weltweit berühmt machte. Die wissenschaftliche Bearbeitung des Skeletts dieses kleinen, mausähnlichen Tieres, der „Stöffel-Maus”, mitsamt Haaren und Magen-Darminhalt ergab, dass es sich um den ersten Skelettfund eines Kleinsäugers aus der ausgestorbenen Nagerfamilie der Eomyiden handelte. Er ließ sich als die schon durch einen einzelne Zähne und Knochen bekannte Art Eomys quercyi bestimmen. Die besonders gute und komplette Erhaltung einer Flughaut erlaubte eine genaue Rekonstruktion der Fortbewegungs- und Lebensweise der Stöffel-Maus als Gleitflieger, ähnlich der heutigen Flughörnchen. Bis heute ist es der älteste Nachweis des Gleitflugs bei Nagetieren. Die Stöffel-Maus wurde vermutlich durch Windböen auf den See hinausgetrieben, wo sie ertrank. Bevorzugt blieben natürlich diejenigen Tiere erhalten, die im See selbst lebten. Zu den seltenen Funden zählen daher Reste von landlebenden Tieren wie Maulwürfen oder Kormoranen und Hühnervögeln und einem Hasen. 

Erlebnispark: Altes neu entdecken – und offen für Neues

Es geht im Stöffel-Park aber nicht nur darum, altes neu zu entdecken, ganz im Gegenteil: Es ist ein ganzes Programm, das sich hinter dem Stichwort „Erlebnis“ verbirgt. Ob es der Spaziergang im Steinbruch unter verschiedenen Themenschwerpunkten, der Steinbrucherlebnisgarten, der Aussichtsturm oder das Regionalprojekt „Kräuterwind Genussreich Westerwald“ ist, der Besucher kann vor Ort unter einer Vielzahl an Angeboten wählen. Dazu zählen Ausstellungen oder Musikveranstaltungen ebenso wie spezielle Angebote der regionalen Küche. Dass sich daraus auch überregional beachtete Veranstaltungen entwickelt haben, die bewusst den historischen Rahmen miteinbinden, ist fast zwangsläufig. Genannt seien nur das Westwälder Tuningtreffen, Traktoren- und Oldtimertreffen, 24-Stunden Mountainbike-Rennen oder Musikveranstaltungen unterschiedlicher Genres - der Stöffel-Park setzt bewusst auf sein in dieser Form wohl einmaliges Ambiente an alten Gebäuden und stillgelegtem Rohstoffabbau. „Volles Programm“ also, und genau das ist der Reiz des Stöffel-Parks.

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