Fachtag der Baustoffindustrie befasst sich in Filderstadt mit Recycling: Komplexe Rechtslage

Zwischen Ersatzbaustoffverordnung einerseits und Boden- und Grundwasserschutzverordnung andererseits suchen der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) und das Qualitätssicherungssystem Recycling-Baustoffe Baden-Württemberg e.V. (QRB) seit 2005 einen Weg, der für ihre gut 400 Mitglieder landesweit gangbar ist. Bei deren 27. Baustoff-Recycling-Tag Ende Oktober in Filderstadt diskutierten Experten mit dem Umweltstaatssekretär des Landes, Dr. Andre Baumann (Grüne), die komplexe Rechtslage und Auswirkungen der Mantelverordnung, die seit gut einem Jahr Bundesrecht ist und die Verwendung der Ersatzbaustoffe regelt.

Die Fachreferenten des Baustoff-Recycling-Tags teilten Einblicke aus Wissenschaft, Verwaltung, Rechtswesen und der Unternehmenspraxis
© ISTE

Die Fachreferenten des Baustoff-Recycling-Tags teilten Einblicke aus Wissenschaft, Verwaltung, Rechtswesen und der Unternehmenspraxis
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„Das Grundwasser wird in Deutschland zulasten der Ersatzbaustoffe überstreng geschützt,“ lautete das Fazit von Gregor Franßen. Der Düsseldorfer Fachanwalt ist auf das Thema spezialisiert, hat die Branche bundesweit im Blick, sieht die „widersprüchliche Rechtsauslegung“ und „handwerkliche Fehler der komplexen Rechtsverordnung“ kritisch. Denn plötzlich sollten die nun bestens untersuchten RC-Baustoffe auf kiesigem Untergrund, was ein Drittel aller Flächen im Südwesten betrifft, etwa Oberrheinebene und Flusstäler, nicht mehr zulässig sein, seien demnach sogar wassergefährdend und deren Einbaumächtigkeiten würden reduziert.

Die Konsequenz: Bauschuttrecycler müssen nun riesige Hallen für Herstellung und Lagerung bauen, um diese vor Regen zu schützen, der etwaige Schadstoffe ins Grundwasser eintrüge. Dagegen dürfen die nach altem Recht definierten Baustoffe frei gelagert werden. Mehr noch: Die neuen Baustoffe können nach altem Recht untersucht und dann gleichfalls frei gelagert werden. Dr. Bernd Susset, Fachreferent für Umwelt beim ISTE: „Das alte Länderrecht gilt eigentlich nicht mehr, weil es durch das neue Bundesrecht abgelöst wurde.“ Und die reduzierte Einbaumächtigkeit führe dazu, dass Bauvorhaben gar nicht oder nicht mit RC-Baustoffen ausgeführt werden.

Im Alltag widersprechen sich deshalb oft die Aussagen des Gewerbeaufsichtsamts, das Emissionen und Recyclingstoffe prüft; des Umweltamts, das Grundwasser und Boden zu schützen hat; sowie der Baubehörden, die Verfahren und Baumaterialien verantworten. Dagegen stellt Fachanwalt Franßen bspw. klar: „Frostschutzschichten oder ein Lärmschutzwall gehören klar zum technischen Bauwerk – und nicht zum Boden.“ Kriterium hierfür sei die Funktionalität der Einrichtung und nicht die Absicht, Material kostengünstig unterzubringen. Der Jurist: „Letzteres wäre eine illegale Deponierung.“

Rund 350 Teilnehmende kamen zu dem Branchentreff, um die Problemstellen im Regelwerk zu diskutieren und sich über Innovationen und Entwicklungen auszutauschen
© ISTE

Rund 350 Teilnehmende kamen zu dem Branchentreff, um die Problemstellen im Regelwerk zu diskutieren und sich über Innovationen und Entwicklungen auszutauschen
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Mit Interesse hörten im Auditorium die rund 350 Betreiber von Kies- und Sandgruben, von Erd- und Tiefbau, Abbruch und Recycling sowie Vertreter aus Politik, Aufsichtsbehörden, Ingenieurbüros sowie Forschung und Lehre nicht nur diese Ausführungen. Ähnlich ernüchternd war die Analyse von Christa Szenkler, die der Fachgruppe Recycling-Baustoffe und Boden des Verbandes vorsteht, zur gesamten Rechtslage im europäischen Kontext. Beruflich arbeitet die Diplom-Geographin bei einem großen Steinbruchbetrieb in Talheim bei Heilbronn.

Etwa die Meldepflicht zur Nachhaltigkeit, die bislang für Betriebe ab 500 Beschäftigten gilt, werde auf 250 abgesenkt und verursacht weiteren bürokratischen Aufwand. Letzteren Wert erreichen beim ISTE zwar nur die wenigsten Betriebe, doch deren Auftraggeber reichen diese Anfragen weiter. Für emissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren von Anlagen sei zudem künftig ein externer Projektmanager vorgeschrieben, den der Auftraggeber bezahlen muss. Die novellierte Deponieverordnung, die die Verwertung priorisiert, begrüßt der Verband, doch laufe die Auslegung der Mantelverordnung dem zuwider. So auch der Umgang mit asbesthaltigen Baustoffen, bei denen es selbst für Heimwerker keine Bagatellgrenzen gibt. Auch sei in der Gefahrstoffverordnung die Gelegenheit verpasst worden, den Bauherren in die Pflicht zu nehmen. Deshalb sei nicht geklärt, wer in der „Ewigkeitshaftung“ ist, der abbrechende Abfallerzeuger oder der auftraggebende Abfallbesitzer. Szenklers Fazit: „Ohne Vorerkundungspflicht im Bauwerk bleibt das Risiko beim Abbruchunternehmer.“

Zur Ursache dieser „Schwammigkeit“ vermutet man beim ISTE, dessen 400 Mitgliedsbetriebe mit gut 15 000 Mitarbeitern an 800 Standorten 5 Mrd. € pro Jahr umsetzen, dass die öffentliche Hand als bundesweit größter Bauherr kein Interesse daran hat, sich selbst in die Verantwortung zu nehmen. Von den Mitgliedern betreiben aktuell landesweit 105 Betriebe 186 Recyclingwerke. Tendenz steigend.

Eine Folge der verschärften gesetzlichen Regelungen seien „die zunehmenden Halden mit Gemischen, Asphalt etc., auf denen die Verwerter sitzen bleiben.“ Auch appellierte die Referentin eindringlich an die Mitgliedsbetriebe, die QRB-Poster in ihren Annahmestellen gut sichtbar aufzuhängen und die QEB.app zu verwenden, die der Verein entwickeln ließ, um die Stoffströme lückenlos zu dokumentieren, damit sich der Betrieb vor Regress schützt. Szenkler: „Denn dann bleiben der Anlieferer und der Erzeuger in der Haftung.“ Einig war sich die Fachfrau mit dem Juristen Franßen in der Analyse: Zu viel Bürokratie, keine Schonung des knappen Deponieraums und fehlende Akzeptanz für Sekundärbaustoffe.

Dabei steht das Thema Mantelverordnung im Kontext von Dekarbonisierung und EU-Taxonomie: Die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche ausbauen; regionale Strukturen fördern, um Transportwege zu vermeiden sowie natürliche Ressourcen und Deponieraum schonen. „Wir verwerten bereits 97 Prozent der Bau- und Abbruchabfälle und ersetzen 13 % an Primärrohstoffen,“ sagte ISTE-Präsident Oliver Mohr, der selbst ein Kieswerk betreibt. Landesweit liefert und verarbeitet seine Branche demnach pro Jahr 100 Mio. t mineralische Baustoffe aus Kies- und Sandgruben, von denen mittlerweile 13 Mio. t als recycelter Zuschlagstoff dem sogenannten RC-Beton zugeführt werden.

Umwelt-Staatssekretär Dr. Andre Baumann sprach sich dafür aus, dass Grundwasser- und Bodenschutz faktenbasiert und realitätsnah mit der Kreislaufwirtschaft zusammen gedacht werden
© ISTE

Umwelt-Staatssekretär Dr. Andre Baumann sprach sich dafür aus, dass Grundwasser- und Bodenschutz faktenbasiert und realitätsnah mit der Kreislaufwirtschaft zusammen gedacht werden
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Fachreferent Dr. Bernd Susset, zu dessen Ressort auch Boden- und Grundwasserschutz gehören, ergänzte: „Recycling ist nicht nur, wenn das gebrauchte Steinchen von der 6. Etage wieder in die 6. Etage in den Hochbaubeton zurückwandert als rezyklierte Gesteinskörnung.“ Gebraucht werde das Material auch in Trag- und Frostschutzschichten im Straßenbau, bei Schutzwällen oder Bauwerkshinterfüllungen. In der Debatte würden immer wieder Substitutions- und Verwertungsquote verwechselt oder gegeneinander ausgespielt.

Dr. Andre Baumann, Umwelt-Staatssekretär in der Landesregierung, ermunterte die Zuhörer, sich bei strittigen Fällen – oft geht es dabei um den Grundwasserschutz - direkt an sein Ministerium zu wenden. „Wir gehen dann jedem Einzelfall nach,“ so der Politiker. Das betreffe auch Ausschreibungen, in denen etwa RC-Baustoffe benachteiligt würden. Bisher habe er aus seinen Behörden eher positive Signale vernommen. Und ihm sei kein Fall bekannt, in dem Ersatzbaustoffe auf vermeintlich kritischen Kiesböden das Grundwasser belastet hätten. Das bestätigten Franßen und Susset.

Autor: Leonhard Fromm, Schorndorf

www.iste.de


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