Autonome Baumaschinen als Entwicklungsziel
Mag es auch noch einige Hürden zu überwinden geben – die Entwicklung von autonomen Baumaschinen zählt bei den Herstellern wie auch den Forschungseinrichtungen zu den großen aktuellen Zielen. Dementsprechend wird sich das Thema auch in vielen Facetten auf der bauma wiederfinden, die vom 24. bis 30. Oktober 2022 in München stattfindet.
Die Entwicklung von autonomen Baumaschinen zählt bei den Herstellern wie auch den Forschungseinrichtungen zu den großen aktuellen Zielen. Dementsprechend wird sich das Thema auch in vielen Facetten auf der bauma wiederfinden
© Messe München
Autonom fahrende und arbeitende Maschinen gehören zu den großen Zukunftsvisionen der Baubranche. „Allerdings ist eine ‚echte‘ Autonomie bei Baumaschinen in absehbarer Zeit kaum vorstellbar, da – anders als zum Beispiel im abgeschlossenen Arbeitsumfeld eines Steinbruchs oder Bergwerks – komplexe technische und sicherheitstechnische Herausforderungen existieren“, sagt Tim-Oliver Müller. Nach Einschätzung des Hauptgeschäftsführers des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. deutlich realistischer und für die Bauwirtschaft greifbarer sind die Entwicklung und der Einsatz „intelligenter“ Baumaschinen mit halbautomatisierten, automatisierten oder unterstützenden Funktionen – und dies bei ausgewählten Bauprozessen, beispielsweise im Erd-, Straßen- oder Spezialtiefbau. „Solche Lösungen haben das Potenzial für merkliche Effizienz und Produktivitätssteigerungen“, unterstreicht Müller. So könnten sie den Maschinenführer oder die Maschinenführerin bei sich wiederholenden und ermüdenden Tätigkeiten entlasten. Intelligente Maschinen seien zudem unabhängiger von deren individuellen Fähigkeiten – in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Vorteil, so der Branchenkenner.
Eine Standortbestimmung auf dem Weg hin zu autonomen oder zumindest intelligenten Baumaschinen ermöglicht die bauma 2022, die weltweit führende Messe für Baumaschinen, Baustoffmaschinen, Bergbaumaschinen, Baufahrzeuge und Baugeräte.
MiC 4.0: Grundlagenarbeit für die Baustelle der Zukunft
Um zunächst eine Teilautonomie auch auf komplexeren Baustellen zu ermöglichen, ist eine herstellerübergreifende Machine-to-Machine-Kommunikation essenziell. Die Voraussetzungen dafür will der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) zusammen mit dem Hauptverband der deutschen Bauindustrie (HDB) schaffen. Deshalb gründeten die Verbände auf der bauma 2019 die Arbeitsgemeinschaft „Machines in Construction 4.0“ (MiC 4.0). „Aktuell haben wir 105 Mitglieder aus sieben Nationen sowie 31 Arbeitsgruppen“, berichtet Dr. Darius Soßdorf, der Geschäftsführer von MiC 4.0. Damit die Prozesse auf den Baustellen in Zukunft digitaler, intelligenter und letztlich auch autonomer ablaufen können, müssen beispielsweise die Daten zu den Maschinenzuständen vereinheitlicht werden. Das beginnt schon bei der Information, ob eine Maschine an oder aus ist. „Während dies bislang die Hersteller für ihre Produkte selbst definierten, gilt jetzt für alle Hersteller, die sich zu MiC 4.0 bekennen: Bei jeder Baumaschine mit Verbrennungsmotor, die das Signal ‚an‘ sendet, dreht sich die Kurbelwelle des Motors“, beschreibt Soßdorf. Der hierbei verwirklichte, gemeinsame Ansatz ist nach seinen Worten absolut neu und einzigartig.
Dieses und viele weitere der in den letzten drei Jahren von MiC 4.0 erreichten Ergebnisse werden der Fachöffentlichkeit auf der bauma in der Innovationshalle LAB0 vorgestellt. Neben der Präsentation der erarbeiteten Dokumente wird es dabei auch eine physische Demonstration geben.
Cobots reduzieren die Prozesszeit
Maximilian Schöberl vom Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik der Technischen Universität München rechnet damit, das in zehn Jahren vielfältige Cobots auf den Baustellen aktiv sein werden. Der Begriff ist die Verbindung der englischen Worte Collaboration und Robot. Er beschreibt Roboter, die für die direkte Zusammenarbeit mit dem Menschen konzipiert wurden. Für Entwicklungen in diese Richtung gingen Schöberl und ein Forschungsteam des Lehrstuhls von einer handelsüblichen, funkferngesteuerten Rüttelplatte aus. Diese wurde zunächst mit entsprechenden Sensoren und Steuereinheiten „autonomiefähig“ gemacht. Anschließend koppelten die Wissenschaftler die Maschine im Leader-Follower-Prinzip an einen Bagger: Der Bagger erstellte ein Planum, während ihm die Rüttelplatte selbsttätig und kontinuierlich folgte und dabei das Massengut verdichtete. „Im Ergebnis konnten durch die Kooperation Arbeitsschritte parallel geschaltet und die Prozesszeit im Idealfall halbiert werden“, berichtet Schöberl.
Sensorbestückte Laufroboter für Inspektionsaufgaben
Können Roboter helfen, den Zustand von Bauwerken, wie zum Beispiel der 3,6 km langen Köhlbrandbrücke in Hamburg, zu überwachen? Das ist eine der Fragen, mit denen sich Forscherinnen und Forscher vom Institut für Digitales und Autonomes Bauen der Technischen Universität Hamburg beschäftigen. Dazu setzen sie den vierbeinigen Laufroboter I-DOG ein. Die Maschine von der Größe eines Pudels ist mit Sensoren zur Erfassung, Verarbeitung und Analyse von Gebäudestrukturdaten ausgestattet. Außerdem sind sie in der Lage, Schwingungen aufzunehmen und zu analysieren, über die Bauwerksschäden entdeckt werden können. Für seine genaue Lokalisierung im Raum – eine der Schlüsselvoraussetzung von autonomen mobilen Systemen – nutzt der mechanische Spürhund die Light Detection and Ranging (LiDAR)-Technologie, die auf der Grundlage von Laserscans Rückschlüsse auf den eigenen Standort zulässt.
Die oben genannte Hamburger Köhl-brandbrücke dient in einem kürzlich gestarteten Projekt als Referenzobjekt. In dem im Jahr 1974 in Betrieb genommenen, als Kulturdenkmal gelisteten Monumentalbauwerk sollen sich für Inspektionen mehrere I-DOGs bewegen. Sie sammeln dabei eigene Daten und übernehmen solche, die von intelligenten, in der Brücke festverbauten Sensoren generiert werden. „Das Ziel sind Roboterflotten, die miteinander kommunizieren. Durch die Fusion der Sensordaten entsteht mit vergleichsweise geringem Aufwand ein umfassendes Bild des Bauwerkszustands, das wir dann – zum Beispiel für die Sanierungsplanung – in ein digitales Modell einpflegen können“, schildert der Projektleiter Prof. Kay Smarsly. Mehr über den I-DOG und seine Einsatzmöglichkeiten erfährt man ebenfalls in der Innovationshalle LAB0 am Stand „Science Hub“.